Wie wir in Zukunft neue Geschäftsmodelle und Innovationen in den Markt bringen war die grundlegende Fragestellung beim CarbonCycleCultureClub (C4) „KI für Kohlenstoff“ am Donnerstag, 22. Mai 2025.
Heutzutage ist der klassische Transferweg, dass ein junger Mensch, beispielsweise ein:e Doktorand:in, an einem Thema forscht, eine sehr gute Entdeckung macht, diese eventuell auch patentiert und sich dann überlegt, eine Ausgründung in die Wege zu leiten. Die/der Forschende bewirbt sich im Anschluss um Forschungsmittel, versucht die Idee weiterzuentwickeln, zur Marktreife zu bringen und danach einen Markt zu finden. In vielen Fällen wird dann festgestellt, dass der Markt das Produkt nicht braucht oder, dass das Produkt nicht den Anforderungen entspricht, die der Kunde braucht. Dann hat das Produkt nicht den „Product Market Fit“. Das bedeutet, dass das Zusammenbringen des passenden Produktes in den dafür richtigen Markt nicht funktioniert hat. „Das ist eines der größten Probleme von Start-ups“, so Forum-Rathenau-Vorstandsvorsitzender Professor Ralf Wehrspohn. Zu diesem Zeitpunkt, wenn das Produkt die Marktreife erreicht hat, ist bereits viel Geld in das Unternehmen geflossen. Wenn das Produkt nicht gebraucht wird, es also am Markt vorbei entwickelt wurde, ist das Projekt nicht umsetzbar.
Livestream des C4 „KI für Kohlenstoff“
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Mehr InformationenDie Idee, die wir nun verfolgen, so Wehrspohn, ist eher vom Markt getrieben. Wehrspohn: „Die Frage, die wir diskutieren wollen, ist: Kann man den Prozess umdrehen?“ Wir versuchen, solche Vorhaben vorab zu simulieren, um festzustellen was die Marktbedarfe der Zukunft, also in fünf bis zehn Jahren, sind. Heute ist das mit Künstlicher Intelligenz (KI) möglich. Dabei soll erst der „Product Market Fit“, also welches Produkt benötigt wird, herausgefunden werden.
Künstliche Intelligenz (KI) kann eine entscheidende Rolle spielen beim Wandel hin zu einer klimaverträglichen Wirtschaft – technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Sie wird möglicherweise zur intelligenten Vermittlerin zwischen den Herausforderungen der Industrie, möglichen technologischen Antworten und der wirtschaftlichen Machbarkeit dieser Ideen. Vor allem im Bereich grüne Chemie, CO₂-Verwertung und Kohlenstoffkreisläufen eröffnet KI neue Wege – von der ersten Materialidee bis zur Markteinführung und Skalierung innovativer Lösungen, erläutert Kerstin Schmidt, Leiterin der TransferWerkstatt des Forum Rathenau e.V.
Eine gute Idee allein reicht nicht. Damit sich daraus ein Unternehmen entwickeln kann braucht es ein Umfeld, das Innovation fördert und erleichtert – von Finanzierung über Genehmigungen bis hin zur passenden Infrastruktur. Beim CarbonCycleCultureClub (C4) des Forum Rathenau e.V. zum Thema „KI für Kohlenstoff“ am Donnerstag, 22. Mai 2025 von 18 bis etwa 21 Uhr im kleinen Saal des Kulturhaus in Bitterfeld-Wolfen, Sachsen- Anhalt und digital übertragen via Livestream, wurde deshalb unter anderem die Frage aufgegriffen, wie ein solches „Ökosystem“ für Kohlenstoffkreislaufwirtschaft entstehen kann – und welche Rolle KI dabei spielt.
Zu Gast beim Forum Rathenau-Projektleiter und C4-Moderator Thies Schröder waren:
- Dr. Thorsten Lambertus, ESMT European School of Management and Technology Berlin, Managing Director, Institute for Deep Tech Innovation (DEEP) and Site Lead, CDL-Berlin (digital) → Beitrag im Nachbericht
- Kathleen Schröter, HighTech Con Moderator, Co-Founder & CEO ootiboo GmbH → Beitrag im Nachbericht
- Christian Schiller, Founder & CEO, cirplus GmbH, live zugeschaltet vom Circular Republic Festival in München → Beitrag im Nachbericht
- Dr. Markus Klose, Director Superbattery and Intellectual Property, Skeleton Technologies GmbH → Beitrag im Nachbericht
- Stefan Keller, Senior Account Executive bei Citrine Informatics, Nürnberg (digital) → Beitrag im Nachbericht
- Dr. Mehdi D. Davari, Forschungsgruppenleitung, Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle (Saale) (digital) → Beitrag im Nachbericht

KI-gestützte Plattformen wie Citrine Informatics zeigen bereits heute, wie datenbasierte Algorithmen die Entwicklung nachhaltiger Materialien beschleunigen können. Während klassische Forschung oft langwierig ist und viele Versuche braucht, kann KI gezielt und schnell durchrechnen, welche Stoffe sich gut kombinieren lassen, welche Reaktionen wahrscheinlich sind – und wie man mit möglichst wenig Energie und Aufwand zu einem brauchbaren Ergebnis kommt.
Gerade im Bereich kohlenstoffbezogener Technologien ist die Kluft zwischen Forschung und praktischer Anwendung oft groß. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Themen sind technisch komplex, die Entwicklungen teuer und es ist nicht immer klar, ob der Markt bereit dafür ist. Viele gute Ideen bleiben deshalb in Laboren oder Konzeptpapieren stecken, so Pascal Milfeit, Senior Transformation Manager TransferWerkstatt des Forum Rathenau.
Genau hier setzt ein geplanter zweiter Bootcamp-Durchlauf im Jahr 2026 an: Ziel ist es, industrielle Problemstellungen – zum Beispiel aus Chemie- oder Energieunternehmen – systematisch mit Gründungsideen und technologischen Lösungen zusammenzubringen. Dabei soll auch KI helfen, diese Verbindung gezielter, schneller und datenbasiert zu gestalten.
Ein bereits im Aufbau befindliches Netzwerk rund um das Forum Rathenau – bestehend aus regionalen und überregionalen Partnern – übernimmt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle: Es bringt Menschen, Ideen und Herausforderungen zusammen.
Marktrisiko möglichst früh reduzieren mit KI
Dr. Thorsten Lambertus, der sich seit über 15 Jahren mit der Frage beschäftigt, wie man Innovationsprozesse und Innovationsökosysteme gestalten kann, sodass sie effektiv sind, und das sowohl aus Unternehmenssicht, in Forschungseinrichtungen als auch als eigener Gründer, griff in seinem Impuls zunächst das Stichwort Product Market Fit auf – wie kommen wir dahin, dass ein Produkt auch wirklich einen Bedarf deckt, den draußen die Industrie, die einzelne Person, der Konsument hat? „Aber wir reden in diesem Kontext ja vor allem auch von B2B-Anwendungen“, so Lambertus. Das sei ganz entscheidend, damit ein Geschäft funktionieren kann, denn wenn ich kein Problem löse, gibt es keine Zahlungsbereitschaft, und wenn es keine Zahlungsbereitschaft gibt, gibt es auch kein Geschäft. Insofern sei das für jeden Innovator, ob im Großunternehmen oder im Start-up, eine ganz entscheidende Frage: Wie kann ich etwas entwickeln, das der Markt, das der Kunde braucht und dafür dann auch bereit ist zu zahlen? Er erweiterte das Konzept des Product Market Fits noch um ein weiteres Stichwort in dieser Runde: der sogenannte „Unfair Advantage“, unfairer Vorteil.
Solche unfairen Vorteile, das könne eine Marke sein. Wenn ich eine sehr starke Marke habe, dann habe das eine Strahlkraft. Das könnten Exklusivverträge sein, Netzwerkeffekte: Im Bereich der sozialen Medien heute, so etwas wie LinkedIn. Wenn man dort einmal drin sei, wenn dort einmal all die Menschen gesammelt sind, die miteinander in Verbindung treten wollen im geschäftlichen Sinne, dann sei es wahnsinnig schwer, ein zweites solches Unternehmen aufzubauen, so Lambertus. Skaleneffekte: Unsere Großindustrie profitiere davon, dass sie sehr effizient sein kann, weil sie einfach Produkte in einer sehr großen Skalierung mache, dadurch Effizienzgewinne habe in jedweder Hinsicht. Es gebe weitere Möglichkeiten: Daten, der C4 thematisiere heute KI, den Zugang zu Daten zu haben, die Daten zu verstehen, mit den Daten arbeiten zu können könne ein solcher unfairer Vorteil sein. Und natürlich auch Technologie.
Wir müssten die konkreten Bedarfe ermitteln, in den komplexen Wertschöpfungsketten, in den Unternehmen um die Frage zu beantworten, wie das Marktrisiko möglichst früh reduziert werden könne.
Deswegen sollte sehr früh bei Innovationsprozessen überlegt werden, wie Marktdaten erhoben werden könnten, wie das Marktverständnis verbessert werden könne, während die Technologie weiterentwickelt und zu einem Ziel gebracht werde. „Die Frage, die wir uns deswegen immer stellen müssen, ist: Wie können wir möglichst früh der Technologieentwicklung ein Ziel geben?“, sagte Thorsten Lambertus. „Wie reduzieren wir also Marktrisiko möglichst früh?“, so Lambertus weiter. Eine weitere Frage sei: „Wie kann KI dazu führen, dass wir mehr dieser Informationsvielfalt, die jeder Innovator braucht, um Product Market Fit zu erreichen, an einen Ort bekommen?“, meinte Lambertus.
„Das ist auch der Nukleus eines meiner Start-ups, das leider gescheitert ist – und ich erkläre auch gleich warum –, wo wir aber schon vor über zehn Jahren daran gedacht haben, während wir mit Studenten gearbeitet haben, ihnen dabei Hilfestellung zu geben, eigene Geschäftsideen und Deep-Tech-Ideen zu entwickeln. Wir haben sie mit einem Kursprogramm begleitet; wir haben ihnen unseren theoretischen, praktischen und Netzwerkinput gegeben. Am Ende des Tages gibt es aber ganz viele Dinge, die eigentlich eine KI, damals in unserem Sinne eine Software, diesem jungen Team an Unterstützung geben kann. Denn es sind frei verfügbare Daten“, so der Experte.
Es gebe ein ganz neues Projekt, das bei den Kollegen an der HEC Paris gerade laufe, gesponsert von einem italienischen Milliardär. Da gehe es darum: Wie kann denn Start-up-Mentoring durch KI erweitert oder vielleicht zukünftig sogar ersetzt werden?
Etwa 80 Prozent der Fragen, die gestellt werden, die Themen, die diskutiert werden, seien geschätzt eigentlich immer die gleichen. Weil sich die Start-ups nicht darin unterschieden, in ihren fundamentalen Herausforderungen. Nachher komme natürlich industrie- und technologiespezifisch etwas dazu, was dann das eigentliche Mentoring ausmache und wo der Mensch eine ganz entscheidende Variable sei. Aber eine Basis-Layer, eine Basisebene an Unterstützung zu geben und dieser erste Mentor zu sein und dem Start-up die richtigen Fragen zu stellen, mit ihm zu interagieren, das könne auch eine KI lösen. Das sei genau Gegenstand dieses Forschungsprojekts, das gerade ganz groß aufgebaut werde.
Lambertus berichtete außerdem: „Ein zweites konkretes Beispiel: Ich war sieben Jahre bei Fraunhofer, und da gab es dann immer das Statement: ‘Wenn Fraunhofer nur wüsste, was Fraunhofer weiß.‘“
Bei all den verschiedenen Technologie- und Forschungsthemen, die in einer so großen Institution laufen, könne nie eine einzelne Person, und auch nicht ein Netzwerk an Personen, wirklich einen Überblick haben, welche Kompetenzen, welche neuen Technologiebausteine sind denn hier in-house? Lambertus: „Wie können wir dafür sorgen, dass all die Lösungsmöglichkeiten, neue Technologieentwicklungen, genauso zusammengefügt werden können, neue Produkte inspirieren können, Forscher zusammenbringen, die gemeinsam Lösungen entwickeln können und damit die Probleme auch lösen, die der Markt uns vorgibt und die dort auch eine Geschäftsrelevanz haben? Das sind genau die großen Stellschrauben, die ich seit vielen Jahren im Bereich der Automatisierung, der KI-Unterstützung in Innovationsprozessen sehe: diese zwei großen Themen zu lösen und dann am Ende des Tages sehr spezifisch Input zu geben für die Leute, die das unternehmerische Risiko gehen, denen dieses Risiko rauszunehmen, sie zu inspirieren und dann mit den passenden Marktanalysen qualitativen Input zu geben, wenn sie vor den ersten technoökonomischen Kalkulationen stehen, anstatt dass sie sich das wieder hart über Wochen erfragen müssen“, sagte Lambertus.
Wenn man irgendwann dahinkomme, dass die KI automatisch erkennt, dass die Nachfrage beispielsweise nach CO₂-negativen Baumaterialien rasant wächst, bevor das Mainstreamwissen ist, das könne ein entscheidender Wettbewerbsvorteil auch für Innovationsökosysteme sein, hier eine Lösung zu bieten, auch schwache Signale sehr früh aufzuspüren, um neue Technologien, neue Produkte und entsprechende Patente zum Schutz zu entwickeln.
Thies Schröder bedankte sich bei Thorsten Lambertus für den Einblick in den Ansatz, der an der European School verfolgt wird.
Vorbereitung der Bootcamps des Forum Rathenau
„Wir haben das Glück, dass wir ja auch mit dir im Gespräch sind bei der Vorbereitung der sogenannten Bootcamps, die wir gerade in der TransferWerkstatt des Forum Rathenau denken“, sagte Schröder. Pascal Milfeit, der in der TransferWerkstatt des Forum Rathenau diesen Bereich leitet, gab einen kurzen Einblick zu dem Thema.
„Wir wollen eine Methodenentwicklung für das Revier vorantreiben“, so Milfeit. Nach zwei Stakeholder-Workshops im Januar und im März habe sich eine gute Allianz gebildet. Für das erste Bootcamp dieses Jahr könnten schon fünf Challenges aus vier Unternehmen angeboten werden. Nächstes Jahr in anvisierter Zusammenarbeit mit ESMT und auch Citrine Informatics, von denen auch ein Vertreter beim C4 auf dem Podium zu Gast war, könne das Vorhaben auf eine nächste Stufe gebracht werden und diese Ideen aus den Unternehmen mit einer KI validiert werden, um noch mehr in die Tiefe gehen zu können, um den Marktbedarf mehr herauszuarbeiten und dann auch in Kooperation mit dem Revier und den Partnern dieser Methodenentwicklung zu einem Erfolg zu verhelfen, um daraus auch Erkenntnisse und Ergebnisse abzuleiten und diese gesamte Bewegung zu verstetigen.
Nachfrage und Angebot im Bereich Kunststoffrezyklate
„Christian Schiller hat das gemacht, von dem wir gerade gesprochen haben, nämlich verschiedene Unternehmen inzwischen gegründet, ist also quasi Seriengründer“, so Thies Schröder. Christian Schiller ist eigentlich studierter Jurist, hat internationale Beziehungen und Völkerrecht studiert in Freiburg, in Dresden, in Nizza, in Boston, und war dann 2018 bei einem ersten digital gestützten Unternehmen, nämlich einer digital gestützten Mitfahrgelegenheit und hat gesagt, was wir dort können digital gestützt – also Nachfrage und Angebot zusammenzubringen –, das können wir auch in ganz anderen Bereichen. Er hat sich dann auf den für das Forum Rathenau sehr spannenden Weg gemacht, das Ganze zu übertragen auf das Thema Kunststoff – und zwar Kunststoffrezyklate. Das ist das Unternehmen Cirplus. Digitale Technologie wird genutzt auf einer Beschaffungsplattform zwischen Verarbeitern und Produzenten. „Christian, wir erreichen dich im Moment auf dem Circular Republic Festival in München. Vielen Dank, dass du ein paar Minuten Zeit für uns hast mitten im Geschehen der großen Konferenz. Du hast das Wort“, sagte Schröder.
Schiller bedankte sich für die Einführung und sagte, dass er der erste Angestellte in Deutschland war, als diese digitale Plattform expandierte. Da sei oft so in den Historien oder Lebensläufen von Start-up-Gründern: Man komme zur richtigen Zeit an den richtigen Ort. „Ich war da gerade im Moment, wo eine Innovation tatsächlich diesen berühmten Product Market Fit schon hatte, der gerade von Thorsten angesprochen worden ist, und es darum ging, jetzt das Geschäftsmodell zu skalieren.“ Man hatte gefunden, was der Markt braucht, und dann ging das Thema durch die Decke, und das habe er viereinhalb Jahre betreuen dürfen. Das sei dann – nicht allein durch ihn, aber durch das gesamte Team – zur mittlerweile weltweit größten Plattform für Mitfahrgelegenheiten geworden. Das sei ein klassisches B2C-Geschäftsmodell gewesen.
Dadurch inspiriert habe er ein Jahr Auszeit genommen, sei mit dem Rucksack um die Welt, und damals unfreiwillig mit sehr viel Kunststoffabfällen auf der Welt in Berührung gekommen als passionierter Wassersportler. Zurück in Deutschland sei 2018 der Moment gewesen, als er in ein Innovationsprogramm gegangen sei eines Risikokapitalgebers in Berlin namens Entrepreneur First, ein britischer Risikokapitalgeber. Der führe immer 50 Personen in einem Raum zusammen, davon 25 mit einem kommerziellen Profil und 25 mit einem technischen Profil, und lasse die Innovation spielen im kleinen Raum. Mit anderen Worten: Speed-Dating für Gründer. Dahinter stehe die These: Viele gute Unternehmen und Geschäftsmodelle werden deswegen nicht entwickelt, weil sich nicht die richtigen Personen zum richtigen Zeitpunkt in ihrem Leben zusammenfinden, um dann ein Geschäftsmodell nach vorne zu bringen.
Das habe bei ihm dazu geführt, dass er seinen damaligen Mitgründer kennengelernt habe in Berlin, und inspiriert durch diese doch sehr negativen Eindrücke auf der Weltreise zum Thema Kunststoffabfälle in der Umwelt damals gesagt habe: Kann man das nicht verbinden? Kann man nicht tatsächlich digitale Technologien in dem Bereich Recyclingkunststoffe einführen, um Kunststoff besser im Kreis zu führen?
Schiller stellte dar, wie Innovation für ihn funktionierte: Am Ende sei es einfach auch ein Stück weit zu springen ins große Unbekannte. Er habe sich gedacht: „Das kann nicht so schwierig sein mit dem Kohlenstoff.“ Damals, durch den zusätzlichen Push des Inkrafttretens des Verpackungsgesetzes in Deutschland zum 1.1.2019 sei seine erste initiale Idee gewesen: Wenn sich jetzt ganze Supply Chains im Kohlenstoff ändern müssen, weil der Gesetzgeber vorgibt in Zukunft mehr Rezyklate einzusetzen, dann ist das gerade ein disruptives Element.
Es sei immer ein guter Moment: Wenn ein regulatorischer Moment komme und das zu einer Destabilisierung von Geschäftsbeziehungen führe. Das hätten damals auch die Investoren gut gefunden, ein Geschäftsmodell, eine Innovation zu starten. Denn die Unternehmen überlegten ja dann auch: Was machen wir denn jetzt? Sie hatten ja bisher überhaupt keinen Kontakt mit dem Thema Kunststoffrecycling. Und das als etwas traurige Botschaft: „Ich musste leider feststellen, dass viel zu viele Unternehmen, die ihr Brot- und Buttergeschäft im Kunststoff haben, sich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft nicht wirklich auseinandergesetzt haben“, sagte Schiller. Zu deren Verteidigung sei gesagt: Es rechnete sich in der Vergangenheit einfach nicht, denn es war einfach günstiger und sicherer, sich mit Neuware zu versorgen. Aber da seien wir als Menschheit auf diesen linearen Pfad gekommen und mit hochspezialisierten Supply Chains, vom Erdöl zum virginen Kunststoff, der dazu führe, dass sich viele Unternehmen und auch viele Ingenieure, viele Chemiker, mit dem Thema Recycling gar nicht auseinandergesetzt hätten. Denn es sei kein Geschäft gewesen, und wo kein Geschäft, da werde meistens auch kein Unternehmen Personal einstellen und so weiter.
Bis dato sei das noch immer eine Nische. „Ich habe gerade diesen Vortrag, der ist tatsächlich erst für morgen geplant. Sie sehen ihn heute also vorab. Deswegen ist er auch auf Englisch, sonst hätte ich ihn noch übersetzt. Dafür fehlte mir leider die Zeit, weil wir morgen tatsächlich unser erstes KI-Produkt im Markt vorstellen“, sagte Schiller.
Cirplus als Procurement Platform for Circular Plastics – Beschaffungsplattform für zirkuläre Kunststoffe, Kunden zusammenzuführen, Unternehmen, Nachfrage und Angebote. Aber nicht nur zu matchen, also nicht nur den initialen Kontakt herzustellen, sondern letztlich auch tiefer in die Wertschöpfung einzusteigen und den Kunden tatsächlich auch dazu zu bringen, für ihn die Supply Chain bauen zu können rund um recycelte Kunststoffe.
Zunächst die Frage: Wie kommt man an Daten, um überhaupt sinnvoll KI zu trainieren? Man müsse sich im Bereich Kreislaufwirtschaft erst einmal mit einer sehr, sehr unbefriedigenden Datenlage auseinandersetzen. Man wisse einfach sehr wenig darüber wo der Kohlenstoff nach der Nutzungsphase lande. Es sei wie eine Black Box. „In dem Moment, wo Sie die Verpackung wegwerfen, oder das Auto an einen Zweiten verkaufen – wir wissen einfach überhaupt nicht, wo landet der Kohlenstoff tatsächlich am Ende des Tages?“, sagte Schiller. Deswegen sei der erste Schritt bei Cirplus gewesen, eine Art Marktplatzmodell zu fahren, um erst einmal überhaupt Materialströme zu digitalisieren. Daten zu erfassen, wer kauft was, in welchen Mengen, wo geht das hin? Um eine Art Ahnung davon zu bekommen, was ist konkret im Markt und wo? Der zweite, nicht minder wichtige Schritt, der gleichzeitig angestoßen wurde, sei die Frage der Standardisierung, der Datenstandardisierung. Er könne aus Erfahrung sagen, Kunststoffrecycler weltweit – das sei Kraut und Rüben, wie dort mit Daten umgegangen werde. Wenn schon allein in der Sprache über chemische, mechanische Parameter eines Kohlenstoffs keine Klarheit herrsche, wie könne da über KI nachgedacht werden, die ja trainiert werden müsse mit Datenlagen.
Dann sei der dritte Schritt die Entwicklung von KI-Applikationen. Der Slide, den er präsentiere, sei schon fast zwei Jahre alt. Nun wolle Cirplus ein erstes KI-Produkt auf den Markt bringen. Aufgrund dieser Schwierigkeit der Datenerhebung und der fehlenden Standardisierung sei es in der Vergangenheit fast unmöglich gewesen, KI-Modelle für die Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Cirplus wende sich letztlich an B2B-Unternehmen, an Recycling und Compoundeure als Hersteller von Kunststoffrezyklaten. Je nachdem, wer den Kohlenstoff tatsächlich einkaufe: Wer fragt welche Menge an in welcher Qualität? Das sei die erste Iteration, der Marktplatz. Damit habe man nicht genügend Geld verdient. Insofern als Ergänzung zu Thorsten: Der Product Market Pricing Fit sei nicht da gewesen. Das Unternehmen habe nicht genügend Wert erzeugen können, dass das als Risikokapital finanziertes Start-up genügend Geld erzeugte, um damit profitabel zu sein.
Der zweite Schritt: Cirplus habe zwei führende Standards auf den Markt gebracht, deutsche Standards: Die DIN SPEC 91446 und 91481. Da habe es sich mit Industrieteilnehmern zusammengetan, die gesamte Wertschöpfungskette zusammengebracht im Recycling und gesagt: Was brauche es eigentlich an gemeinsamer Sprache, Datenqualitäten, um Kunststoffrecycling wirklich zu forcieren und auch aus dieser Nische herauszuholen, wo es lange Zeit sein Dasein fristete? Das habe auch zu einem großen Erfolg geführt. Im April 2025 konnten diese Standards von Cirplus in einen europäischen Standard überführt werden. Titel des Standards: „Klassifizierung von Kunststoff-Rezyklaten durch Datenqualitätslevel für die Verwendung und den (internetbasierten) Handel“.
Als Voraussetzung für den dritten Schritt: Die Entwicklung von KI für die Kreislaufwirtschaft. Denn die Probleme seien mannigfaltig im Bereich Recycling von Kunststoffen. Es fange an mit – was ist eigentlich genau im Markt? Er zeigte als Beispiel auf: Wenn wir darüber reden, aus alten PKWs heute Kunststoff herauszuholen und den wieder in neuen PKWs zu verbauen, dann rede man ja über sogenannte Legacy-Materialien. Die seien 15 bis 20 Jahre alt, bevor ein Auto in den Schredder komme oder auf den Wertstoffhof. Teilweise könne der dort verbaute Kunststoffe heute legal gar nicht mehr eingesetzt werden, weil sich die Chemikaliengesetzgebung weiterentwickelt habe. Das sei nur ein ganz kleines Problem in dem Bereich, wie eigentlich mit dem Thema Altkohlenstoff/Altlasten umgegangen werden könne. Die Daten seien die Grundvoraussetzung, sinnvolle Verwertungswege für Kunststoff zu finden.
„In dem allerersten Schritt, was wir eben jetzt morgen tatsächlich offiziell vorstellen auf dem Circular Republic Festival: Wir nennen es jetzt – vielleicht wenig innovativ – cirplus AI. Was steht dahinter? Letztlich ein Schritt von Assist Augment to Automation of Supply Chain“, berichtete Schiller vom Festival. Was sei damit gemeint? Eine KI am Anfang müsse immer noch lernen und sei noch nicht perfekt, werde am Anfang also nur als Assistent höchstens zur Verfügung stehen können. ChatGPT sei ja in aller Munde. Da sei noch sehr viel menschlicher Input erforderlich und Entscheidungshoheit. Aber in der Theorie und dann auch Praxis der KI werde es ja so sein – über immer zunehmende Verbesserung der Agententätigkeit der KI, werde es dazu kommen, dass dann Fähigkeiten augmented, also erweitert, verbessert werden, als das der Mensch kann, und bis hin zu vollständiger Automatisierung von Prozessen, die heute noch weitestgehend von menschlicher Hand gemacht werden. Auf dem Weg habe Cirplus den ersten Schritt gemacht. Mit dem sogenannten – Material Supplier Agent.
„Was Sie hier sehen, ist live aus unserer Art Beta-Version. Sie müssen sich vorstellen, wenn Sie heute Kunststoffverarbeiter sind und sich mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt haben, können Sie heute Ihre Datenblätter hochladen bei uns. Wir parsen die Datenblätter Ihres virginen Kunststoffs. Wir parsen die Daten. Unsere KI versteht, welchen Kunststoff Sie einsetzen für welche Anwendung. Gleichzeitig gleicht es dann mit unserer Datenbank ab: Was kennen wir? Welche Erfahrung haben wir mit den Lieferanten gemacht? An dem Beispiel Polypropylen hier zu sehen – wofür können die eingesetzt werden? Sodass dann die KI automatisch eine Vorauswahl für Sie trifft, mit welchem Material und Lieferant es überhaupt Sinn macht, in den nächsten Schritt zu gehen, und Ihnen dann tatsächlich schon gleich anbietet, in die Bemusterung des Materials zu gehen, oder – wenn es sogar schon passt aufgrund des Datenblatts, das wir Ihnen zeigen – sogar schon direkt in die Vertragsverhandlung zu gehen“, erläuterte Schiller.
Das sei ein Schritt, der potenziell erstmal banal daherkomme, sei es aber nicht, wenn man sich überlege, dass für diesen Prozess heute im Einkaufs- und Vertriebsprozess schon mehrere Stunden, wenn nicht gar Tage, vergingen. Wenn hier schon erste Effizienzen gehoben werden könnten, werde gleich das Potenzial sichtbar.
Der zweite und schon deutlich komplexere Schritt sei die Augmented Procurement Intelligence –, die Daten, die heute im Markt verfügbar sind, mehr oder weniger an einer Stelle zusammenzuführen und sinnvoll für den Anwendungsfall zu interpretieren. Das sei im Thema Recycling von Kunststoff ein Riesenthema, da es schwierig sei. Aber auch Qualitäten und Mengen, so wie wir es heute bei der Neuware kennen, abzufragen an den Raffinerien, wer produziert was in welchen Mengen?
Letzter Punkt, da sei man schon im Bereich einer zweiten Stufe, der vom Assist zum Augment. Das sei das, woran ganz aktuell gearbeitet werde, mit dem Süddeutschen Kunststoffzentrum und dem Kunststoff-Institut Lüdenscheid im Austausch, weil Daten über die Vermessung von Kunststoffen unglaublich wichtig seien für uns, gerade wenn es um das Thema Kontaminationsanalyse gehe. Über visuelle und nichtvisuell vorliegende Daten KI laufen zu lassen, um die Genauigkeit und die Geschwindigkeit mit der Feststellung von Kontaminanten in recycelten Kunststoffen zu verbessern.
Die KI erledige dann, all diejenigen Schritte, die mühevoll heute im Einkauf und R&D (Research and Development) gemacht werden müssten. Da habe man dann zusammenfassend die Automatisierung von menschlichen und technologischen Prozessen im Einkauf in einem hochkomplexen Materialstrom.
„Ich bin nämlich auch der Überzeugung, wenn Sie sich wirklich mal mit mir in die Welt der Abfälle begeben und sich da mal richtig wohlfühlen, und sich mal auf so einer Müllhalde oder einem Wertstoff von Alt-PKWs, die ich Ihnen hier mitgebracht habe als Foto (ich will nicht immer nur Verpackung zeigen, sondern Ihnen mal das Beispiel insbesondere PKW zeigen), wenn wir damit wirklich Ernst machen wollen, den Kunststoff in diesen PKWs aus verschiedenen Generationen tatsächlich wieder nutzbar zu machen für das, was Sie rechts sehen – die geordnete, saubere, standardisierte Supply Chain für die Herstellung neuer Wagen –, dann führt meines Erachtens kein Weg an Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz vorbei. Denn die Rechenleistung, die Sie aufbringen müssen, um dann zu sehen, wo welche Mengen in welcher Qualität ohne Kontamination im richtigen Verhältnis zueinander stehen und das auch dauerhaft sicherzustellen, dass Sie eine Serie eines PKW produzieren können, das wird meines Erachtens die Rechenleistung eines menschlichen Gehirns übersteigen“, meinte Schiller. Deswegen sei keine echte Kreislaufwirtschaft ohne Digitalisierung und KI möglich.
Vogelperspektive
Als nächstes begrüßte Thies Schröder Kathleen Schröter: „Kathleen wird uns helfen, die beiden gehörten Impulse jetzt mal ein bisschen zusammenzuführen. Kathleen ist hier ebenfalls eingeladen als Gründerin – ootiboo, vor kurzer Zeit gegründet, auch im Bereich der Vermittlung, der Kommunikation. Sie hat auch, wie schon einer, mit dem wir heute sprachen, eine Fraunhofer-Historie. Wenn Fraunhofer wüsste, was Fraunhofer weiß – das merke ich mir heute Abend mal so als Leitspruch. Wir tragen dieses Wissen weiter und freuen uns sehr, dass wir Kathleen Schröter gewinnen konnten, hier uns heute Abend einen Einblick zu geben in ihre Perspektive auf unsere Fragestellung ‚KI für Kohlenstoff‘, oder auch KI ganz generell für die Kreislaufwirtschaft.
Schröter: „Am Anfang hatte Thies gesagt, er wurde gefragt, warum hat denn jetzt die KI nicht die Moderation übernommen? Als jemand, der Hightech-Konferenzen sehr viel moderiert, kann ich Ihnen sagen, das funktioniert noch nicht. Warum nicht? Weil wir den Menschen im System brauchen, und weil im Moment die KI-Systeme, die wir haben, maximal Praktikanten von uns sind. Wir müssen die trainieren. Wir geben denen Aufgaben, die einfach so ein bisschen stupider sind, die sehr viel Recherche sind.“ Die könnten dann strukturiert werden, aber sie nehmen nicht das weg, was wir im Moment als Menschen inhärent haben: Das ist Kreativität, das ist kritisches Denken, und das ist Konsens, oder den Kontext sehen aus unterschiedlichen Perspektiven, die wir heute hören.
Sie komme mit der Vogelperspektive zum Thema KI. Bei Journey to Creation habe sie nach Fraunhofer, also 2020, gelernt: „Entrepreneurial Mindset“ – wir haben Unternehmen, Großunternehmen, erklärt, wie eigentlich Start-ups denken. Man müsse nicht ausgründen, um als Start-up zu denken, sondern es gehe darum, dass man versteht: Ein Produkt müsse einen Trend irgendwie greifen, brauche eine Marktlücke und eine Nische.
Sie habe von Thorsten gehört – wenn Fraunhofer wüsste, was Fraunhofer weiß. Fraunhofer kennt jeder als Name. 30.000 Mitarbeiter, 72 Institute. Ihr Institutsleiter sei von Siemens gekommen. Der habe immer gesagt, wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß. Das größte Thema, das sie bei Fraunhofer gesehen habe, sei ganz oft: Wissenschaft, Deep Tech denke von der Lösung aus. Lösung sucht Problem. Das sei ein Denken der Wissenschaft, das nicht einhergehe mit dem entrepreneurial Denken. Das Produkt – wer braucht das denn? Wissenschaftler guckten erst mal, ob es technisch möglich ist, und dann werde geschaut, ob jemand das braucht.
Sie nehme etwas von Christian auf. Er habe gesagt: „Augmented Intelligence“. Sie sage auch immer, AI, „Artificial Intelligence“ – es heiße nicht „Artificial“, es heiße „Augmented Intelligence“. Es setze etwas obendrauf auf unsere Intelligenz und helfe uns im Moment, ein Assistent zu sein. Nun komme sie von der Rise of AI Conference, die vergangene Woche war. Da seien hochkarätige Politiker dabei gewesen in Berlin, aber auch die Wissenschaftler aus aller Welt, die in KI seit Jahrzehnten arbeiteten.
Da werde zu neuronalen Netzen gesprochen, zu Large Language Models, und es werde zu Ethik diskutiert. Obwohl sie begeistert sei von den technologischen Entwicklungen, stelle sie sich oft die Frage mit diesen mächtigen Technologien: Warum erreichen die so selten den Alltag von Menschen?
Sie denke, Technologien retteten uns nicht, sondern Menschen mit Visionen. Und Menschen mit Visionen, die den Zugang zu Technologien hätten, die könnten etwas retten. Wer kennt KI-Pioniere? Schon mal von Sepp Hochreiter gehört? Markus? Oder zum Beispiel von Jürgen Schmidthuber? Das seien deutsche KI-Wissenschaftler, die vor 30 Jahren eigentlich die Grundlage geschaffen hätten für diese Large Language Models und für das, was neuronale Netze heute sind. Die seien deutsch, aber sie hätten ihre Technologien ins Ausland gebracht. Die hätten hier nicht den Wert schaffen können, den sie gerne geschaffen hätten. Sie gehe darauf ein, warum diese deutsche Landschaft eben dafür nicht geholfen habe.
Sie habe ihre Firma 2021 gegründet; im Januar ’22 sei sie dann wirklich im Handelsregister eingetragen gewesen. Sie sehe das Problem in der Innovationslücke nicht in der technischen, sondern in der menschlichen Lücke.
„Wenn Sie jetzt diese 15 Future Skills (das ist vom World Economic Forum in 2020 herausgegeben worden), die Fähigkeiten, die wir als Personen, als Menschen brauchen, um für die zukünftigen Jobs gewappnet zu sein, wenn Sie diese 15 sehen – analytisches Denken, Kreativität, kritisches Denken, Empathie, Serviceorientierung, Troubleshooting –, was sehen Sie da? 15 – fällt irgendjemandem was Komisches auf? Wenn wir jetzt an unsere technisch getriebene Gesellschaft denken. Nur zweimal ist Technologie erwähnt. Alle anderen Fähigkeiten, die wir brauchen für die Jobs, die jetzt kommen, sind inhärent menschlich und haben was mit Problemlösungsorientierung zu tun“, erläuterte Schröter. Heute gebe es Jobs, die sich vor zehn Jahren keiner hätte denken können. Und so werde das weitergehen.
Es fehle immer wieder der Weg zu den Menschen. Wir hätten die technologische Exzellenz, auch in Deutschland, aber wir hätten die kommunikative Lücke. Wir würden den Kindern nicht beibringen, was KI ist, wie sie mit sozialen Medien umgehen sollten, was eigentlich ein Algorithmus ist. Der Mittelstand verstehe nicht, welche KIs eingesetzt werden könnten, wie sie beispielsweise bei Materialeinsatz eingesetzt werden könnten, um zu optimieren, und nachhaltige Start-ups würden sich schwer tun, ihre Innovationen zu erklären.
Bei der Rise of AI sei auch darüber gesprochen worden, wie Deutschland und wie Europa eigentlich im Vergleich mithalten könne, sich aber auch nicht abhängig mache. Das Thema Forschung sei stark, aber die Umsetzung sei träge. Oder, wie es Rafael Laguna de La Vera gesagt habe von SPRIND. Es gebe sehr gute Grundlagenforschung, das kenne sie auch als ehemalige Fraunhofer-Mitarbeiterin, aber es gebe wenige Start-ups, die daraus große Firmen machten. Wir würden halb so viele Patente schreiben wie die USA, wir seien aber nur ein Viertel der Einwohner. Das heiße – doppelt so viele Patente. Aber es fehlten die Unternehmen. Und der Wissenschaftler an sich schreibe nicht gerne Patente.
In Deutschland gebe es Start-ups, aber die hätten es schwer. Und zwar hätten sie viel weniger Geld in späteren Finanzierungsphasen. Das nenne man Series B. Die machten dann IPOs, also Börsengänge – ziemlich schwer –, und dann würden die das in Amerika machen. 80 Prozent der erfolgreichen Start-ups, die so auf eine Schätzung von über 25 Millionen Wert kämen, würden ins Ausland gehen. Das sei eine Gefahr für unsere Demokratie. Das sei vergangene Woche auch sehr viel diskutiert worden. Wenn keine Zukunftsbranchen in Europa aufgebaut würden, dann verliere Europa wirtschaftliche Unabhängigkeit. Dann werde die Demokratie schwächer.
Schröter: „Wer glaubt, Regulierungen helfen? Gegenfrage: Wer glaubt, dass Regulierungen bremsen? (…) Ich sage Ihnen kurz, warum der EU Green Deal helfen könnte. Regulierungen können Innovation fördern. Warum? Weil es dann verbindliche Ziele gibt. Die schaffen Klarheit für Unternehmen.“ Beispielsweise bei Standardisierung: skalierbare Märkte schaffen. Weil Förderprogramme und Anreize begleitende Regulierungen seien.
Schröter ist Gründerin der Firma ootiboo, die englisch/deutsch ist. Sie operiert in England und hat dort 200 Schulen, eine Plattform, wo projektbasiertes Lernen in Schulen gebracht wird. Projektbasiertes Lernen – es werden Technologien gebracht und die Anwendung. Schröter: „Wir fragen von der Anwendung her, wie können wir Probleme lösen?“
Der Einsatz von KI bei Skeleton
Thies Schröder: „Dann würde ich nämlich ganz gerne Dr. Markus Klose vorstellen, der uns in einem nächsten Impuls einen Einblick gibt in die Entwicklungen, aber auch in die Innovatorik der Skeleton-Tech-Entwicklungen. Skeleton ist einer der vielversprechendsten Innovatoren hier in der Region. Auch mit Standort in Bitterfeld, aber auch in Sachsen beheimatet. Wer sich gefragt hat, wer hat denn eigentlich an dieser Idee des Curved Graphene mitgearbeitet oder es wesentlich mitentwickelt? Die Antwort finden Sie heute Abend. Das war Dr. Markus Klose – diplomierter Chemiker, Doktor im Bereich der Materialwissenschaften, damals auch schon zum Thema Batteriematerialien promoviert, und seit 2021 Head of Intellectual Property, also Markus Klose ist global verantwortlich für alle Themen im Bereich des geistigen Eigentums: Patente, Geschäftsgeheimnisse und diese Fragestellungen, die eben anfallen, wenn man mit so einer innovativen Technologie versucht, den Energiemarkt, den Batteriemarkt aufzurollen.“
Klose: „Vielen Dank. Ich muss vielleicht korrigierend dazu sagen: Ich kam zu Skeleton für die Materialentwicklung von Curved Graphene. Da ist natürlich ganz viel Arbeit vorher gemacht worden, auch von unseren Co-Foundern. Das ist am Ende alles ein Teamsport. Man kann seinen Beitrag leisten, aber ohne das Team klappt das natürlich nicht. Ich bin von Haus aus Chemiker.“
Klose ist seit 2018 im Unternehmen, verantwortlich in erster Linie für zwei Bereiche: Intellectual Property, also Patente, Geschäftsgeheimnisse, entsprechende vertragliche Themen, und auf der anderen Seite ein Teil der Entwicklung von den Energiespeichern. „Das was Sie hier sehen, ist – noch – ein computergeneriertes Bild von unserer Fabrik, die wir hier bauen werden in Bitterfeld für die Produktion vom Curved Graphene“. Curved Graphene ist das eigene Rohmaterial des Unternehmens für Energiespeicher. Skeleton hat zwei Hauptprodukte: die Superkondensatoren und die SuperBattery. In beiden kann man das einsetzen, um entsprechend die Energie- und Leistungsdichte zu erhöhen. Klose gab erst einen Überblick über das Unternehmen und streifte dann ein paar Aspekte, die mit KI zu tun haben, und vor allen Dingen, wie das im industriellen Kontext bis jetzt genutzt wird – auch bei Skeleton vor allem – und wo vielleicht auch die Herausforderungen liegen.
Kurzer Überblick: Skeleton nenne sich manchmal noch ein Start-up, aber nach 16 Jahren und mit 350 Mitarbeitern sei es auch kein KMU (kleine und mittlere Unternehmen) mehr. Ursprünglich gegründet in Estland, Skeleton hat immer noch das Hauptquartier in Estland, in Tallinn, da ist auch der Hauptteil der Elektronik und System-Softwareentwicklung. Außerdem gibt es vier weitere Standorte. Er zähle Berlin nicht dazu, so Klose, da dort vor allem das Büro sei. Skeleton hat eine Batteriefabrik in Finnland, da wird die SuperBattery hergestellt. In Bitterfeld-Wolfen befindet sich die Curved-Graphene-Produktion, und Skeleton hat in Markranstädt die zurzeit weltweit größte und modernste Superkondensatorfabrik.
Die Investoren seien breit gefächert, unter anderem auch Siemens, die nicht nur Investor seien, sondern auch ganz massiv helfen mit der Digitalisierung (Stichwort digitaler Zwilling, ein ganz heißes Thema sei das, sehr hilfreich für Skeleton, da einen kompetenten Partner zu haben). Die Kunden seien relativ breit gefächert und aus Bereichen der Spezialindustrieanwendung, Automotive, Aerospace, aber eben auch Heavy Machinery und noch ein paar weitere.
„Das jetzt ist ein Bild, das ist nicht KI- oder computergeneriert. Das sieht tatsächlich so aus. Das ist unsere Fabrik in Markranstädt. Hier betreiben wir die Superkondensatorproduktion, und zwar von der Elektrode, also der Kernkomponente, da wo die Energie gespeichert wird, hin zur Zelle, wie Sie hier in der Mitte sehen – so groß wie eine Coladose in etwa. Und eben auch die Module. Hier unten ein 162-Volt-Modul, eines unserer aktuellen Kernprodukte. Also alles ‚Made in Europe‘“, erläuterte Klose.
Die Frage sei, warum braucht man das? Warum brauche man Hochleistungsenergiespeicher? Hier müsse erst einmal ein Unterschied gemacht werden zwischen Hochenergie und Hochleistung. Das werde oft verwechselt. Hochenergie heiße, man habe viel Energie, viel Ladung im System. Kleines Beispiel: Handybatterie oder E-Fahrzeug. Da sei viel Energie drin, man wolle weit fahren. Hochleistung heiße in der Regel, man habe etwas weniger Energie drin, etwas weniger Ladungsträger, die könne aber sehr schnell herausgenommen werden. Zu sehen auch hier, mit den Produkten schließe das Unternehmen die sogenannte Lade- oder Entladelücke.
Klose erläutert die Produkte: „Sie haben die klassischen Kondensatoren auf der linken Seite (Reaktionszeiten bis zu zehn Millisekunden), auf der anderen Seite haben Sie klassische Batterien, Lithium-Ionen-Batterien, die Sie aus Ihrem Fahrzeug oder aus dem Handy kennen. Dazwischen gibt es eine Lücke, die wir schließen können mit Superkondensatoren. Die können im Millisekundenbereich oder auch im Sekundenbereich reagieren. Die SuperBattery dann ein bisschen mehr auf der rechten Seite. Alles, was über 45 Minuten Lade- oder Entladezeit ist, das löst man klassischerweise mit einer richtigen Lithium-Ionen-Batterie. Das heißt auch, dass wir nicht in Konkurrenz stehen mit den herkömmlichen Batterien. Unsere Produkte sollen jetzt keine Fahrzeuge antreiben. Sie werden sie auch nicht im Handy finden. Einfach weil der Energiegehalt unserer Produkte etwas geringer ist, dafür die Leistungsfähigkeit, also die Fähigkeit zur Stromabgabe oder Aufnahme deutlich höher. Was ist noch Besonderes bei uns? Wir decken die Wertschöpfungskette zu einem relativ großen Teil ab. Wir starten vom Aktivmaterial. Unser Curved Graphene, das ist auf den ersten Blick ein schwarzes Pulver. Die Hände werden schwarz, wenn man es anfasst. Das packen wir in unsere Zellen, Superkondensatoren, die SuperBattery auch. Das sind jetzt aber zwei Schritte – das Material und die Zelle, das kauft in der Regel kein Kunde. Der Kunde möchte – wie wir alle – einfach nur einen Kasten haben; da soll Strom rein reingehen und rauskommen. Dieser Kasten ist dann in der Regel ein Modul. Ein Modul sind mehrere Zellen mit einer Steuerelektronik. Man kann auch mehrere dieser Module kombinieren für ein „System“, nennen wir das. Das sehen Sie auf der rechten Seite. Wie so ein Server Rack sieht das aus. Wir programmieren auch unsere eigene Software dafür. Hier in dem rechten Bereich, das ist eben auch da, wo die Wertschöpfung wirklich stattfindet. Beim Handy möchte ich mich ja auch nicht damit beschäftigen, wie da jetzt die Spannung ist. Das möchte ich reinstecken, und es soll geladen werden. So ist es bei unseren Kunden eben auch. Ein paar Anwendungsbeispiele: Straßenbahn-Bremsenergierückgewinnung – ganz heißes Thema. Die Straßenbahnen in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen fahren tatsächlich mit unseren Produkten. Das heißt, wenn die Straßenbahn zur Haltestelle fährt, wird die Energie aufgenommen, und wenn sie wieder anfährt, wird sie genutzt und abgegeben. Das kann man auch mit Bussen machen zum Beispiel. In anderen Bereichen, wie Engine Start, also Motorstartanwendung – gerade in kälteren Regionen, im Norden Kanadas ist es oft so, dass sie im Winter ihre Trucks laufen lassen. Am nächsten Morgen würden sie sie sonst nicht ankriegen, weil die Batterien das nicht schaffen bei den Temperaturen. Superkondensatoren können Sie bis zu -40° betreiben – kein Problem. Der Motor geht wieder an, da können Sie sicher sein. Und spart natürlich einen Haufen Treibstoff, wenn man das nicht die ganze Nacht laufen lassen muss. Das ist auch ein ganz schönes Beispiel, das hier zeigt, wie weit man gehen kann mit der Technologie.“
Skeleton beliefere einen Fusionsreaktorhersteller. Das klinge überraschend. Es gebe diesen Witz über Fusionstechnologie, dass sie immer in zehn bis 50 Jahren stattfindet. Er denke, das Zeitfenster werde gerade ein bisschen kleiner. Es gebe tatsächlich in den USA und auch in Großbritannien kommerzielle Produzenten von den Reaktoren. „Was die alle gemeinsam haben ist, dass sie diesen initialen Power-Kick brauchen“, sagte Klose. Also richtig viel Leistung in einer sehr kurzen Zeit, in dem Fall drei Sekunden 120 Megawatt – das könne aus keinem normalen Stromnetz gezogen werden, ohne es zu zerstören. Das heißt, es brauche einen Zwischenspeicher, einen Puffer. Das könne ganz klassisch mit Superkondensatoren gemacht werden. Das gehe nicht nur schnell, das gehe auch recht kostengünstig.
Jetzt die Frage oder der Schluss zurück zu KI, so Klose: „Was brauchen wir denn als Unternehmen? Wo sehen wir Anwendungsfelder, oder wo nutzen wir das vielleicht schon?“ Im Bereich des geistigen Eigentums könne KI dazu dazu genutzt werden, sogenanntes Clustering oder eine Whitespace-Analyse zu machen. Es werde geschaut, in welchem technologischen Bereich, existierten bestimmte Schutzrechte? Da gebe es spannende und auch sehr hilfreiche Tools, mit denen man solche Analysen machen könne.
Wenn man über den Patentbereich weiter nachdenke, also nicht nur die Patentsuche und Analyse, sondern eben auch die Ausarbeitung, solche Large Language Models – gerade das, was alle von Chat GPT kennen, das sei natürlich dafür prädestiniert. Da gebe es auch Start-ups, die wirklich sehr schöne Lösungen anbieten würden, die auch ziemlich gut funktionierten. Das werde den Patentanwalt nicht ersetzen, aber es werde natürlich helfen.
Auf der anderen Seite sei es so, dass viele dieser Lösungen als Software als Service angeboten würden, das bedeute man schicke die Daten irgendwohin, dann passiere etwas, man bekomme vielleicht auch ein Ergebnis. Die Frage sei, was passiert dann damit?
Es sei natürlich eine Herausforderung, gerade mit Geschäftsgeheimnissen – wie geht man damit um, dass möglichst nichts nach außen gelangt? Er sei überzeugt davon, dass sich das im Laufe der Zeit lösen lasse, glaube aber, das sei ein Punkt, auf den man heutzutage aufpassen müsse.
Nun habe er erzählt, dass Skeleton im Bereich der physischen Hardware unterwegs ist, und man sage nicht umsonst „Hardware is hard“ – das stimme auch. Es gebe tatsächlich auch hier eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie man KI einsetzen könne. Hier ein Beispiel von der KI-Bilderkennung. In so einer Zelle, einer zylindrischen Zelle, habe man einen Elektrodenwickel. Dann gebe es natürlich bestimmte Fehlerbilder, die man haben könne. Manche davon seien relativ einfach zu erkennen wie ein Bruch oder eine Delaminierung. Wenn man das aber einem Mitarbeiter gebe, der in der Hektik des Tages schnell schaue, dann sei natürlich auch die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass man das übersehe. Es gebe andere Fehler, wie mangelnde Adhäsion, die gar nicht so leicht zu sehen sei. Wenn man das tatsächlich erkennen möchte, sei natürlich eine Bilderkennungs-KI sehr hilfreich. Wenn man das Ganze weiterdenke – es gebe auch Fehlerbilder, bei denen der einzelne Fehler in der Zelle vielleicht gar nicht so katastrophal sei, aber wenn man fünf, sechs davon zusammen habe, könne es problematisch werden.
Man könne eben KI auch dazu einsetzen, 100-prozentigge-Kontrolle zu machen. Abschließend: Was kann im Bereich der Produktentwicklung zurzeit erwartet werden von KI? Die Produktentwicklung an sich werde nicht ersetzt werden, auch vielleicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht. Wo er große unterstützende Potenziale sehe, sei in der Verringerung der Möglichkeiten. Wenn eine KI genutzt werden könne, um einfach die Möglichkeiten oder die Testmöglichkeiten einzuschränken – dann wären nicht mehr 100 Versuche nötig, sondern vielleicht nur drei –, dann sorge das natürlich für eine viel effizientere Ressourcennutzung.
Letzten Endes werde KI die physische Validierung des Produktes auch auf absehbare Zeit wahrscheinlich nicht ersetzen. Man müsse dann am Ende das Produkt trotzdem bauen und auch physisch validieren. Die Kunden wollten das auch. Aber natürlich, der Weg dahin könne beschleunigt werden und vielleicht auch ein bisschen kostengünstiger gemacht werden, so Klose.
Die Lösungen von Citrine Informatics
Thies Schröder stellte im Anschluss Stefan Keller vor, der studierter Kunststofftechniker ist; in Würzburg studiert hat und mehrere berufliche Stationen im Bereich Materialherstellung vorzuweisen hat. Seit 2020 ist Stefan Keller für die Citrine Informatics, ein US-Unternehmen, zuständig für die Geschäftsentwicklung hier in Europa.
„Vielen Dank für die einführenden Worte. Wir sind ja schon seit geraumer Zeit in Kontakt, unter anderem auch mit der Hochschule Anhalt und auch mit dem Forum Rathenau. Von daher haben wir natürlich gern die Einladung von Professor Wehrspohn angenommen, diese Veranstaltung hier mit einem kleinen Beitrag hoffentlich etwas zu bereichern“, sagte Stefan Keller.
Wie schon angedeutet, stehe die Industrie, die Material- und Chemieindustrie, vor enormen Herausforderungen, und bei Citrine Informatics gehe man davon aus, dass mit ihrer Lösung der Materialinformatik und der Softwarelösung hier ein entscheidender Beitrag geleistet werden könne, diese Herausforderungen auch in neue Möglichkeiten und auch in neue Potenziale umzuwandeln.
Kurz zur Einführung: Es sei bereits gesagt worden, dass Citrine Informatics ein US-basiertes Unternehmen ist. Headquartered im Silicon Valley in Kalifornien, gegründet von Materialwissenschaftlern und Materialentwicklern mit der Vision, die erste KI-basierte Plattform auf den Markt zu bringen, die einen speziellen Fokus auf die Entwicklung und die Optimierung von neuen Materialien hat.
Citrine Informatics ist ein cloudbasiertes Softwareunternehmen, und man fokussiere sich mit der Technologie auf das Umfeld Material und Prozess. Citrine Informatics vertreibe die Plattform auf globaler Ebene. Stefan Keller ist für die Marktentwicklung in Europa zuständig.
Das Unternehmen sei hauptsächlich aktiv, wenn es ums Thema Materialentwicklung, Prozessoptimierung gehe, aber man arbeite auch sehr stark mit Instituten zusammen. Da müsse er leider – oder auch glücklicherweise – wieder sagen, auch unter anderem mit Fraunhofer. Natürlich auch mit anderen, wie zum Beispiel Max-Planck, und auch mit Universitäten unter anderem in Deutschland. Hier wäre beispielsweise die TU Dresden zu nennen.
Hier optimierten Citrine Informatics beispielsweise langfaserverstärkte Polymere mit dem Machine-Learning-getriebenen Ansatz. Das Unternehmen unterstütze auch und arbeite auch an geförderten Projekten, auch hier in Deutschland. Da wäre beispielsweise Rolls-Royce zu nennen. Da gehe es in einem Konsortium darum, wie KI genutzt werden könne bei der beschleunigten Prozessoptimierung bei der Herstellung von Triebwerkskomponenten, die in unterschiedlichen Fertigungsverfahren und auch mit unterschiedlichen Materialbasen hergestellt werden.
Beim Austausch mit Kunden in Gesprächen, erfahre man sehr häufig, dass die Anforderungen sich in den vergangenen Jahren sehr dramatisch erweitert hätten und generell die Anforderungen immer komplexer würden. Zum einen höre man relativ häufig das Thema: Ich muss Vorprodukte ersetzen, weil sie beispielsweise nicht mehr verfügbar sind, oder weil sie nicht mehr eingesetzt werden dürfen, siehe beispielsweise PIFAS (Per- and polyfluoroalkyl substances), aufgrund von regulatorischen Vorgaben. Oder aber man müsse versuchen, Alternativmaterialien zu qualifizieren, um weniger abhängig zu werden von bestimmten Zulieferern oder Rohstoffherstellern.
Oft werde aber auch erwähnt, dass neben diesen klassischen Kundenanforderungen wie Performance und Preis mehr und mehr der Aspekt auch der Nachhaltigkeit mit reinspiele. Sowohl auf der Produktseite, wenn es darum gehe, beispielsweise wie angedeutet über Cirplus mehr Recyclinganteil in Produkte zu integrieren, aber natürlich auch von der Prozessseite her, um zu sehen, wie könne der Energiebedarf bei der Herstellung der Produkte optimiert werden, um damit weitere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Generell heiße es für Citrine Informatics letztendlich, dass alle diese Herausforderungen, alle diese Anforderungen idealerweise zeitgleich erfüllt werden müssten oder man diese erfüllen wolle.
Es gehe um eine „multiobjective“ Optimierung, also man wolle alle Anforderungen auf einmal treffen. Hier stoße natürlich ein klassischer Entwicklungsansatz, der auf Intuition oder Erfahrung basiere oder auf Basis von klassischen statistischen Methoden beruhe, schnell an die Grenzen, und hier könne die KI einen entscheidenden Mehrwert bieten. Die KI, die Citrine Informatics nutze, habe die Möglichkeit, alle theoretischen oder auch praktischen Kombinationen von verschiedensten Inputs – seien es die Vorprodukte, die in ein Material hineinfließen und deren Eigenschaften, seien es die relevanten Prozessparameter, um dieses Material oder dieses Produkt herzustellen, und sei es letztendlich dann auch die Formulierung selbst – gleichzeitig zu analysieren und auch dem Entwickler Vorschläge zu machen, welche Kombination aus allen Inputs die höchste Wahrscheinlichkeit darstellt, alle geforderten Anforderungen gleichzeitig zu erfüllen.
Wenn man sich den Kundenstamm von Citrine Informatics anschaue, betätige sich das Unternehmen in einem sehr breiten Spektrum, von großen globalen Konzernen bis hin zu familiengeführten mittelständischen Unternehmen, und decke dabei auch eine Vielzahl von Materialkategorien ab. Seien es Batteriematerialien, sei es Glas, Halbleiter, Metalle und Legierungen, oder auch – allgemeiner formuliert – flüssige und feste Formulierungen. Dazu zählten dann Farb- und Lacksysteme, Klebstoffe, Düngemittel, Beton, Asphalt, aber auch Polymere und aus deren Polymer hergestellte Compounds.
Ein Blick auf die Logos zeige aber auch, dass man mit dieser Technologie die komplette Wertschöpfungskette abdecke. Angefangen von Rohstofflieferanten auf der einen Seite, die beispielsweise Additive entwickelten und herstellen und vertreiben, über Formulierungshersteller bis hin zu den Endprodukterzeugern. Speziell im Chemiesektor, der ja auch für das Mitteldeutsche Revier sehr stark vertreten ist, arbeite das Unternehmen mit vier der zehn größten globalen Unternehmen zusammen. Wie funktioniert dieses Thema?
Man sehe natürlich ein sehr starkes Interesse, ein grundsätzliches Interesse, in die KI-Richtung zu gehen. Auch häufig sei eine gewisse Skepsis oder ein gewisser Vorbehalt, ob diese neuartigen Technologien auch wirklich erfolgreich in Unternehmen implementiert werden könnten. Die Kunden profitierten dabei, speziell von der Technologie, aber nicht nur von dieser, sondern auch von dem Team und von den Implementierungsprozessen.
Keller sagte: „Denn wir wissen klar, und es wurde auch jetzt von Kathleen vorhin angedeutet: Die Technologie existiert. Es geht um die Menschen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen und diese Technologie zu testen, zu validieren und dann zu skalieren.“
„Lassen Sie mich kurz in die Technologie etwas tiefer einsteigen. Ein wesentlicher Aspekt unserer Technologie ist die Tatsache, dass wir diese in die Hände von Materialentwicklern, Prozessleuten, Ingenieuren geben wollen, die auch keinen Data-Science-Hintergrund oder auch keine Programmiererfahrung haben. Wir wollen das in die Hand von jedem Entwickler geben, und das soll letztendlich das Tool sein, mit dem Trainingsdaten, die in der Vergangenheit durch historische Rezeptur und Versuche erstellt wurden, schnellstmöglich einen Mehrwert generieren. Denn aktuell liegen diese Daten sehr häufig noch brach in irgendwelchen Datenbanken und werden unzureichend genutzt. Wir wollen diese Daten, die existent sind, effizienter nutzen, zielgerichteter, um damit KI-Modelle zu trainieren, um dann neue Materialien zu entwickeln. Wir tun dies mit einem sehr grafischen Ansatz, der in der Mitte dargestellt ist. Wir bilden die Materialhistorie von den Rohstoffen auf der einen Seite über die Prozessschritte bis zum Endprodukt grafisch ab, wir bilden aber auch die KI-Modelle grafisch ab, und ermöglichen dadurch, dass Entwickler nicht nur auf Basis von Daten die KI Modelle trainieren können, sondern auch ihre Erfahrungen mit in die KI-Modelle integrieren können“, erläuterte Keller.
Die Plattform laufe in der Cloud, sei ein cloudbasiertes System, aber ganz wichtig sei hier, sicherzustellen, dass die Daten in einer sogenannten Private Instance abgelegt werden und damit Zugriffe von externen und anderen ausgeschlossen werden könnten.
Der Bereich der Biotechnologie und KI
„Wir möchten enden und abrunden, indem wir noch mal einen Beitrag hören von Dr. Mehdi D. Davari, der uns den ganzen Aspekt noch mal aus dem Bereich der Biotechnologie nahebringt“, sagte Thies Schröder. Das sei deswegen so wichtig, weil wir auch lernen müssten, dass wir mit unserer klassischen sektoren- oder clusterorientierten Sichtweise – Chemieindustrie, Energiewirtschaft – nicht mehr wirklich vorankommen. Das, was wir hier besprechen, erforsche Mehdi D. Davari seit vielen Jahren. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Computergestützte Chemie und Chemieinformatik am Leibniz-Institut in Halle (Saale), Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie, und werde berichten, warum diese KI-gestützten Anwendungen nicht nur die technischen, die elektrischen, die chemischen Prozesse, sondern eben auch biologische Prozesse, also uns sehr unmittelbar oder auch das Thema Pflanzen beeinflussen.
Dr. Mehdi D. Davari: „Thank you very much for the kind introduction. It’s really a great pleasure to be in this wonderful event. As you see from my title, I would like to present today an impulse from my perspective in working in biotech in the last 15 years. We know there are two interconnected crises at the moment, two global challenges: First is the CO₂ emission, but also resource scarcity. In this short presentation, I would like to show you how artificial intelligence and especially biocatalysis can shape the future of carbon dioxide. I start with a general introduction. As we know, the CO₂ emission is increasing rapidly, as you see here according to the IEA report. But when we look at Germany (on the right side) we see that the majority of the CO₂ emissions come from mostly energy sector, private sector and also productions.
We expect the world energy consumption to double by 2035, and mainly this will be produced by still fossil fuels, such as coal, but this number does not count, actually, the number we see in the last years for data centres. Germany’s carbon pricing system, we know we expect it to reach 65 EUR in 2026. But what is interesting is that China plans a new Carbon Capture and Utilization to something like 40 million m³ tons of CO₂ by 2030. Why is that? I mentioned that we have this CO₂ emission as a challenge, but there is also a paradigm shift emerging: CO₂ is not only a waste but also a very important feedstock for circular bioeconomy. When you look at this slide, you see that CO₂ can be used and demonstrated in commercial, demonstration and lab scale studies to produce various chemicals, fuels, and especially polymers.
This kind of Carbon Capture and Utilization is expected to replace future fossil-based carbon sources and somehow mitigate the climate changes. But how is CO₂ involved in the carbon cycle? As we know, the CO₂ is captured by plants, and during the photosynthesis is entered into our, let’s say, food chain, through the animals and also other living systems. But when we look at nature, CO₂ actually is fixed in photosynthesis, in a photosynthesis reaction, as you see here, by light.
But the most important part of this, in principle, photosynthesis is the fixation of CO₂. CO₂ fixation, as you see here, is the first entry point of carbon into organic molecules and entering into food chains. So in principle, it is one of the most essential parts that we can go from waste, in principle, to wells. But let’s inspire from nature – how does nature do this? As we said, in living systems CO₂, as you see here on the right side, is captured by different organisms, especially the ones that are sometimes light but sometimes also not, through photosynthesis or chemosynthesis, to convert this to valuable compound including carbohydrate, sugars, and other biomolecules. But recent studies show that we can also discover new natural and also synthetic pathways for metabolism. This means that not only the natural parts are the most optimal for photosynthesis. How can AI play a role? If you look at those pathways so far, for example, we know seven natural pathways, but we see that there are new pathways for CO₂ fixation. If you look at all of these steps, which includes biocatalysis, metabolic engineering, and synthetic biology, we see that AI can enhance or accelerate all these processes. If you look at the left side – this comes from even societal need, for example, you want to see a molecule, how this binds, for example, to a […] receptor, to remove the allergies. We know this has been, for example, addressed by the Nobel price last year, that AI can design protein, it can accelerate digital drug design. But AI can also help us to design DNA, it can help us to develop and engineer the biological system, optimize the system and also scale up to produce the products. In principle AI can accelerate all this development.
I would like to show you one success story how AI can, for example, accelerate development of much more efficient CO₂ fixation than even in the plants. The previous speaker nicely mentioned that the potential of AI is to explore parameters space that we cannot explore in a standard lab. This helps us to reduce the development time and also explore, let’s say, the parameter space. For example, in this pathway that has been reported for CO₂ fixation as you see here, there are 27 variables to be optimized. Recent studies show that for optimizing this you need to at least optimize 1025 possible experiments. But as you see in these studies, by combination of artificial intelligence and automation they have optimized the so-called Design-Build-Test-Learn cycle, which is a standard cycle in synthetic biology, in order to find the most efficient CO₂ fixation cascade, which actually is new to nature. So, the nature is not optimized for this. From my perspective, we see that in our field combination of AI, modern data analytics, they can enhance not only, let’s say, and accelerate the discovery but they can enhance the efficiency, reproducibility. And this is what is done nowadays for R&D in biotech and chemistry in so-called „Self-Driving“ labs. As you see here – this shows an example from iBioFoundry at the University of Illinois, which you see, it’s a so-called „one task, one robotic platform“, and on the right side you see the same system that has been recently implemented at the Technical University of Darmstadt. The potential of this robotic system is they can, in principle, screen an unlimited number of experiments in order to accelerate our finding.
In the next few minutes I would like to show our initiative here in Sachsen-Anhalt. In 2024, BMBF established a Modellregion in this state. This Modellregion is called „Digitalization in Plant Value Chains“, as you see here, and the idea of this project is to bring together the experts in academia, 21 experts from academia, and 28 partners from companies and Wirtschaft together in this project. In this […] we have three light houses, which in principle we tackle in 19 projects, several plant-based issues. The idea is that we wanted to increase the value chain using different concepts. In our project actually, we are tackling crops and also special plants. As you see on the right side, actually we have a project called BioCasNavi. This is the project that I’m coordinating. The idea of this project, as you see in the next slide, is to develop an AI platform for development of biocatalitic cascades to faster develop bioprocesses. The idea of this project is that we have a lot of plant-based residues, also CO₂, that we can use to connect them through a multienzymatic cascade and design and synthesize high-value compounds. Here with our industry partner in the region we are focused on specific products. But what is very important is that here we brought together technology coming from AI, so large language models, and also industry, especially also in the field of a scale-up of the processes. We call this BioCasNavi. The idea of this project is that it should work as a navigator that if you have a desired product – how can we find a valuable or available substrate in the region? Or, if you have a substrate, how can we develop a new product, which is highly valued in the value chain? With that I would like to thank you for your attention and I would be happy to take questions.”