Challenges für die Zukunft der Chemie
Bootcamp „Create New Chemistry“ des Forum Rathenau startet in Bitterfeld-Wolfen
Zum Bootcamp-Auftakt „Create New Chemistry“ am Freitag, 5. September 2025 begrüßten Carsten Franzke, Vorstand des Forum Rathenau sowie Geschäftsführer der SKW Stickstoffwerke Piesteritz, und Thies Schröder, Projektleiter des Forum Rathenau, die Teilnehmer:innen im Technologie- und Gründerzentrum (TGZ) Bitterfeld-Wolfen.
Regionale Unternehmen hatten sich gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen der TransferWerkstatt „Challenges“, herausfordernde Aufgaben, für die Gründungsinteressierten entwickelt. Dabei handelt es sich um reale chemisch-technische und unternehmerische Problemstellungen aus den Unternehmen, für die Lösungen gesucht werden. In Teams können sich die Nachwuchsfachkräfte nun mit diesen Problemstellungen befassen und Lösungsansätze erarbeiten.
Die vier Unternehmen aus Bitterfeld-Wolfen oder mit Standort in Bitterfeld-Wolfen Indulor Chemie GmbH & Co. KG, NexWafe Si-Fab GmbH, SIDRA Wasserchemie GmbH und Skeleton Technologies GmbH sind im ersten Durchlauf des Bootcamp mit insgesamt fünf Challenges vertreten.
„Wir brauchen Ideen und wissenschaftliche Expertise“, so Carsten Franzke in seiner Begrüßung. Er möchte das Format dauerhaft im Mitteldeutschen Revier verankern, um Ideen, wissenschaftliche Nachwuchskräfte und Start-ups in der Region zu gewinnen. „Ich verspreche Ihnen, dass ich auf Sie zurückkomme“, sagte er zu den eingeladenen Teilnehmer:innen. „Unser Gehirn kann sich manchmal nicht alles vorstellen, aber der Rest von uns sagt: Wir können das schaffen“, motivierte er den internationalen Teilnehmerkreis und sagte, dass er hoffe, sie werden die drei Monate Bootcamp mit Aufenthalten in Bitterfeld-Wolfen und digitalen Einheiten genießen. „Denn wir brauchen Sie für unsere Zukunft!“, so der Geschäftsführer der SKW Stickstoffwerke Piesteritz.
Ideen für die Defossilisierung
„Das ist ein sehr wichtiger Tag für uns – und vielleicht auch für Ihre Karriere“, ergänzte Forum-Rathenau-Projektleiter Thies Schröder zur Begrüßung der internationalen Teilnehmer:innen. „Wir brauchen für diesen wichtigen Wirtschaftsstandort nicht nur die besten Ideen, sondern auch die besten Lösungen für den Weg in die defossilisierte Zukunft.“
Pascal Milfeit, Senior Transformation Manager der TransferWerkstatt des Forum Rathenau erläuterte, dass bei einem Unternehmen in der Produktion beispielsweise ein Stoff als Beiwerk entstehe, der aufgereinigt ein neuer Wertstoff sein könnte. Das Unternehmen erhoffe sich, mit den Lösungen der Forschergruppen einen neuen Stoffkreislauf entstehen lassen zu können und den Stoff nicht wie aktuell der Entsorgung zuführen zu müssen. Oder es könnte ein neues Unternehmen entstehen, das diesen Stoff als Wertstoff nutzt. Das wäre dann eine Möglichkeit, wie aus jungen Forschenden Gründer:innen oder neue Fachkräfte werden.
25 Prozent der Studierenden in Deutschland im MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik)-Bereich sind internationale Studierende, erläuterte Nicolai Strøm-Olsen Co-Founder vom Projektpartner Startup Migrants. Fast 70 Prozent dieser Studierenden möchte nach dem Studienabschluss in Deutschland bleiben. Die meisten von ihnen hätten eine Promotion in der Tasche. Aber nach nur drei Jahren seien nur noch 30 Prozent von ihnen in Deutschland. Dabei sei es einfacher für diese Fachkräfte, die Deutschland dringend braucht, eine Brücke zu bauen und ihnen eine berufliche Perspektive zu geben, als internationale Fachkräfte direkt im Ausland zu gewinnen.
Nachwuchsforschende entwickeln Geschäftsmodelle
Zum Bootcamp „Create New Chemistry“, zu dem junge Nachwuchsforscher:innen eingeladen sind, um die Unternehmen bei besonderen Herausforderungen zu unterstützen, sind viele dieser internationalen Forschenden gekommen, die bereits ein Studium oder eine Promotion in Deutschland absolviert haben.
Sana Nasser Fauz Nasser aus Indien hat kürzlich ihren Master in Water Resources & Environmental Management | Civil Engineer in Hannover abgeschlossen und ist sehr interessiert an den „Challenges“. Sie möchte verstehen, wie die Produkte in den Organisationsstrukturen funktionieren. Eine weitere Bootcamp-Teilnehmerin aus Ägypten, Hadir Borg, sagt, dass sie lernen möchte, wie sie ein Start-up aufbauen kann. Sie hat ihre Promotion in Chemie am Leibniz Institut in Hannover abgeschlossen. Sie habe sehr viele Ideen, die sie nun in ein Geschäftsmodell umwandeln möchte. Sie findet das Bootcamp-Programm sehr vielversprechend. Das sei eine sehr hilfreiche Plattform. Sajith Dass aus Indien, der bereits als Product Manager in Jena gearbeitet hat, und eine Promotion in Developmental Biology an der Universität in Köln abgeschlossen hat, ist ebenfalls Teilnehmer am Programm. Nach seiner Promotion war er zunächst in Indien berufstätig, doch er war froh, als sich ihm die Möglichkeit bot, in Deutschland zu arbeiten. Er ist, wie viele seiner Kolleg:innen, besonders interessiert am Gedanken der Kreislaufwirtschaft für eine nachhaltige Wirtschaft. Für seine nächste Position oder die Gründung eines Start-ups sieht er im Rahmen des Bootcamp die Möglichkeit, Ideen besonders im Bereich Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Sumbul Iqbal aus Pakistan studiert an der Hochschule Anhalt in Köthen und strebt den Master of Science in Molecular Biotechnology an. Sie freut sich über das internationale Programm in Bitterfeld und das Auftaktwochenende, bei dem englisch gesprochen wird. Sie hat zum Ziel, ein eigenes Start-up zu gründen und ist interessiert an den rechtlichen Grundlagen dafür in Deutschland. Auch eine Forschungsgruppe des Just Transition Center (JTC) der Martin-Luther-Universität Halle nimmt am Bootcamp teil und erarbeitet Lösungen. Erste Möglichkeiten für Industrie-Forschungs-Zusammenarbeit auch abseits der „Challenges“ zeigten sich bereits bei der Auftaktveranstaltung.
„Wir auf Seiten des Forum Rathenaus konnten sowohl mit unserem diesjährigen Bootcamp Partner Nicolai Strøm-Olsen von Startup Migrants und Chuck Henjes von der Gründungswerft als auch unserem Partner für 2026, Ogbogu Kalu, Entrepreneur in Residence am Institute for Deep Tech Innovation der ESMT in Berlin, und weiteren Akteuren wie Jan Koppe, CEO von MolAquaTech, Sarah Kilz, Business Development Manager vom Center of Chemestry (CTC) und Sandra Kayser, Projektleiterin ego.-Wissen und Gründungsbegleiterin der Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Anhalt-Bitterfeld mbH (ewg) sowie mit vielen der Teilnehmenden sehr gute und produktiv-konstruktive Gespräche für die weitere Zukunft führen“, sagte Pascal Milfeit von der TransferWerkstatt des Forum Rathenau, der die Veranstaltung mit den Partnern von Startup Migrants organisiert hatte. Nun gelte es, die Teams mit den Unternehmen zu koordinieren, denn die ersten Fragen drängten schon jetzt.
Thies Schröder freute sich über die vielen internationalen Forscher:innen, die auf Einladung des Forum Rathenau in die Region gekommen sind, um ihre Ideen einzubringen und die Wirtschaft im Mitteldeutschen Revier beim Lösen der Challenges zu unterstützen.
Zum Abschluss des Forum Rathenau-Bootcamps „Create New Chemistry“ am Freitag, 5. Dezember 2025, werden die Teams beim „Pitch Day“ ihre Lösungen vor der interessierten Öffentlichkeit präsentieren.
Das dreimonatige Green Deep Tech Bootcamp Create New Chemistry des Forum Rathenau e.V. richtet sich an Gründer:innen, Forschende und Industriepartner, die innovative Lösungen für die Transformation der Chemie-, Petro- und Energiebranche entwickeln wollen: von CO₂-Reduktion über Kreislaufwirtschaft bis hin zu neuen Geschäftsmodellen.
„Die Chemiebranche ist ein zentraler Hebel für eine nachhaltige Transformation. Sie stellt die Materialien und Prozesse bereit, auf denen ganze Wertschöpfungsketten aufbauen. Mit unserem weltweit einmaligen Venture-Studio-Ansatz für die Chemieindustrie bringen wir Forschung, Unternehmergeist und Industriepartner gezielt zusammen, um marktfähige Lösungen für reale Herausforderungen zu entwickeln“, sagt Professor Ralf Wehrspohn, Vorstandsvorsitzender des Forum Rathenau e.V.
Networking-Abend zum Auftakt
Den offiziellen Start des Bootcamps begleitete ein Networking-Abend am Freitag, 5. September 2025 im TGZ Bitterfeld-Wolfen. Ab 19 Uhr kamen die Teilnehmer:innen mit Unternehmensvertreter:innen, Mentor:innen und Gästen aus Wissenschaft und Politik in informeller Atmosphäre zusammen, um erste Kontakte zu knüpfen und die inhaltlichen Schwerpunkte des Programms kennenzulernen.
Drei Monate, vier Module, ein Ziel: marktreife Innovationen
Das Bootcamp ist praxisnah aufgebaut und umfasst vier aufeinander aufbauende Module:
- Startphase: Entwicklung erster Geschäftsmodelle, Prototypen und Pitch-Decks
- Team & Zusammenarbeit: Aufbau einer tragfähigen Team- und Innovationskultur
- Unternehmensführung: Grundlagen der Unternehmensführung, Administration, Finanzierung und rechtliche Rahmenbedingungen
- Verkaufen & Kunden finden: Validierung Produkt-Market-Fit und erste Kunden
Von der Herausforderung zur Lösung
Besonderes Merkmal des Bootcamps ist der enge Bezug zu industriellen Praxisfragen: Unternehmen bringen konkrete Herausforderungen („Challenges“) ein, die in interdisziplinären Teams mit wissenschaftlicher Tiefe und unternehmerischem Spirit bearbeitet werden. Daraus können sowohl eigenständige Ausgründungen als auch Erweiterungen bestehender Wertschöpfungsketten entstehen.
Zum Auftakt reisen circa 25 Teilnehmer:innen aus 15 Ländern an. Neben Deutschland, Polen und Norwegen sind hier unter anderem auch Indien, Pakistan und Ägypten vertreten. Die Teilnehmer:innen werden die Challenges sowohl an Präsenztagen in Bitterfeld-Wolfen in dafür vorgesehenen Kompakt- und Wochenendformaten als auch in einem hybriden Format online bearbeiten und ihre Lösungen entwickeln. Dabei werden sie stets eng von einem Team aus Expert:innen, Mentor:innen und Coaches begleitet sowie fachlich unterstützt.
„Nachhaltigkeit gelingt nur, wenn sie sich wirtschaftlich rechnet. Unser Bootcamp ist deshalb so aufgebaut, dass Lösungen nicht im Labor oder auf dem Papier bleiben, sondern konkrete Marktchancen erschließen“, betont Pascal Milfeit, Projektleiter in der TransferWerkstatt des Forum Rathenau e.V.
Das Bootcamp ist Teil einer breiter angelegten Zusammenarbeit von derzeit 15 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gründungsförderung und Zivilgesellschaft, die gemeinsam das Innovationsökosystem im Mitteldeutschen Revier stärken. Die enge Einbindung dieser regionalen und überregionalen Akteure sorgt dafür, dass neue Ideen nicht isoliert entstehen, sondern frühzeitig auf industrielle Relevanz, technische Machbarkeit und gesellschaftliche Wirkung geprüft werden können.
Für Sachsen-Anhalt und die Region eröffnet sich damit die Chance, nachhaltige Wertschöpfung in Schlüsselbranchen zu sichern und gleichzeitig neue Märkte zu erschließen. Die beteiligten Unternehmen und Institutionen schaffen gemeinsam eine Infrastruktur, die weit über den Programmzeitraum hinausträgt, mit dem Ziel, Talente, Technologien und Kapital langfristig zusammenzuführen und so einen kontinuierlichen Fluss an innovativen Gründungen, neuen Geschäftsbereichen und Intrapreneurship-Aktivitäten zu ermöglichen.
Weitere Informationen unter: www.forum-rathenau.de/create-new-chemistry