CarbonCycleCultureClub Rückblick Die Studie – Kohlenstoffbasierte Industrien auf dem Weg in neue Märkte
Foto: Sergei FrostFoto
Mit dem Ziel, die lokale Industrie auf ihrem Weg in die CO2-Neutralität mit Impulsen und Wissen zur Kohlenstoffwirtschaft zu unterstützen hatten Forscher:innen des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und der Unternehmensberater Arvid Friebe im Auftrag des Forum Rathenau die Transformationspotenziale des Mitteldeutschen Reviers in der Basisstudie „Strukturwandel: Kohlenstoffbasierte Industrien in Mitteldeutschland auf dem Weg in neue Märkte – Schwerpunkt wirtschaftliche Ausgangslage und Entwicklungspotenziale” untersucht.
Ergebnisse dieser Studie wurden am Donnerstag, 27. Februar 2025 vom Hauptautor der Studie Christoph Zeiss und Arvid Friebe von 16.30 Uhr bis 17.30 Uhr im Industrie- und Filmmuseum Wolfen präsentiert. (Eine Teilnahme war hier nur in Präsenz möglich.) Beim hybriden CarbonCycleCultureClub (C4) im Anschluss von 18 bis 20 Uhr im Industrie- und Filmmuseum wurden Aspekte der Studie thematisch aufgegriffen und diskutiert.
Die Basisstudie ist ein wichtiger Beitrag für das Mitteldeutsche Revier und die Transformationsregionen in Deutschland – insbesondere bezüglich der Chancen der Unternehmen, neue Strategien und Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Patrice Heine, Vorstand im Forum Rathenau e.V.
Aufzeichnung des CarbonCycleCultureClubs
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Matthias Lux, Vorsitzender Geschäftsführer der Stadtwerke Halle GmbH
Kohlenstoffbasierte Wirtschaftszweige wie die Chemieindustrie stehen aufgrund der aus Klimaschutzgründen notwendigen schrittweisen Abkehr von fossilen Rohstoffen vor grundsätzlichen Veränderungen – insbesondere hinsichtlich ihrer auf Rohöl basierenden Wertschöpfungsketten.
Denn: „Um die Kohlenstoffwirtschaft klimaneutral umzugestalten, müssen viele Wertschöpfungsketten angepasst werden. Insbesondere die Nutzung von biogenem Kohlenstoff und das Kohlenstoffrecycling sind dabei zentrale Standbeine mit Potenzial für die gesamte zukünftige Chemieindustrie in Deutschland und darüber hinaus“, betont Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts.
Die Bundesregierung und die Europäische Kommission haben unter anderem mit Carbon-Management-Strategien (CMS) auf die Transformationsprozesse reagiert, die erforderlich sind, um Klimaneutralität zu erreichen. Carbon Management bezeichnet die Abscheidung und Nutzung beziehungsweise die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CO2), kurz CCU/S (Carbon Capture and Usage/Storage). Auch auf Bundesländer-Ebene in Deutschland wurde bereits eine CMS-Strategie und ein entsprechendes Positionspapier entwickelt.
Carbon Management Strategie NRW
Mit der Ende 2021 erschienenen Carbon Management Strategie Nordrhein-Westfalen (NRW) führt das Wirtschaftsministerium nach eigenen Angaben zentrale Maßnahmen auf, die unter anderem zu einer Reduzierung der Kohlenstoffintensität und einer nachhaltigen Kohlenstoffnutzung beitragen können.
Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur im Rahmen einer Mitteilung zum Förderwettbewerb „CCU-Modellregionen“: „Unser oberstes Ziel ist es natürlich, CO2-Emissionen zu vermeiden. Aber auch in einem künftig klimaneutralen Nordrhein-Westfalen werden wir noch auf kohlenstoffhaltige Rohstoffe angewiesen sein. Indem wir Kohlendioxid auffangen und weiterverwenden, können wir jedoch CO2 nachhaltig nutzen oder sogar im Kreislauf führen. So können wir zum Beispiel die Chemieindustrie mit nachhaltigem Kohlenstoff versorgen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“
Positionspapier zu Carbon Management in Baden-Württemberg
Der Ministerrat in Baden-Württemberg hat am 15. Oktober 2024 ein Positionspapier zu Carbon Management (PDF) verabschiedet. Ohne den Einsatz der Technologie gelinge es diversen Wirtschaftszweigen nicht, klimaneutral zu werden, allen voran der Zement- und Kalkindustrie. Carbon Management sei daher elementar für den klimaneutralen Umbau – insbesondere der Industrie – bis 2040, so die Landesregierung von Baden-Württemberg. Zugleich ergeben sich aus dem Einsatz der Technologie wirtschaftliche Potenziale für das Land. Auch in der Wissenschaft wird die Bedeutung von CCU/S gesehen.
„Wenn wir unsere ambitionierten Klimaziele erreichen und zugleich ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben wollen, ist es wichtig, dass heute schon nach Möglichkeiten gesucht wird, wie CO2 abgeschieden, gespeichert, transportiert und wiederverwendet werden kann“, wird Ministerpräsident Winfried Kretschmann zitiert.
Das Land Sachsen-Anhalt und CMS
Das Land Sachsen-Anhalt hat noch kein Positionspapier oder eine Carbon-Management-Strategie. Thema des Diskussionsformates C4 wird unter anderem die Frage sein, welche CMS-Strategien das Land Sachsen-Anhalt plant, welche Sichtweisen dazu vertreten werden und wie der aktuelle Stand der Entwicklungen dazu ist.
Dabei sollen denkbare Transformationspfade für Sachsen-Anhalt diskutiert werden, die sich möglicherweise von denen des Bundeslandes Nordrhein-Westfahlen unterscheiden.
Das Forum Rathenau e.V. sieht in der Basisstudie „Strukturwandel: Kohlenstoffbasierte Industrien in Mitteldeutschland auf dem Weg in neue Märkte – Schwerpunkt wirtschaftliche Ausgangslage und Entwicklungspotenziale” eine Chance, das Mitteldeutsche Revier und das Rheinische Revier durch Forschung zusammenzudenken und zentrale Ansätze für das Kohlenstoffmanagement der Zukunft zu entwickeln. Patrice Heine, Vorstand im Forum Rathenau e.V., sagt: „Die Basisstudie ist ein wichtiger Beitrag für das Mitteldeutsche Revier und die Transformationsregionen in Deutschland – insbesondere bezüglich der Chancen der Unternehmen, neue Strategien und Geschäftsmodelle zu entwickeln.“
Im CarbonCycleCultureClub (C4) wurde ausgehend von den Ergebnissen der Basisstudie die aktuelle Situation der kohlenstoffbasierten Wirtschaftszweige im Mitteldeutschen Revier vorgestellt.
Diskutiert wurde im C4 außerdem die Frage, ob das Land Sachsen-Anhalt die Federführung in der Erarbeitung einer Carbon-Management-Strategie im Mitteldeutschen Revier übernehmen sollte.
Christoph Zeiss, Senior Researcher am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und Hauptautor der Basisstudie. Foto: Sergei FrostFoto
Kurzer Überblick zu Ergebnissen der Basisstudie
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Christoph Zeiss, hob bei seiner Kurzzusammenfassung von Ergebnissen der Basisstudie hervor: „Wer in den Technologien und Märkten der Zukunft eine Rolle spielen will, muss bereits jetzt Wissen aufbauen, sich strategisch klug positionieren und in zukunftsfähige Wertschöpfung investieren“.
Der Unternehmensberater Arvid Friebe hat im Rahmen seines Teilbereichs der Studie zur Lage der fossilbasierten Industrie im Mitteldeutschen Revier eine detaillierte statistische Analyse vorgenommen und eine neue Unternehmens-Datenbank der Kohlenstoffwirtschaft im Mitteldeutschen Revier aufgebaut und dazu branchenspezifische Karten aufgestellt. Zwölf Unternehmensvertreter:innen in führenden Positionen hatte er außerdem in Expert:inneninterviews für vertiefende Erkenntnisse befragt.
Da gibt es Unternehmen, die warten, und da gibt es Unternehmen, die gehen voran. Meine Empfehlung ist, dass die ganze Region vorangehen sollte. (…) Es gibt exzellente Vorreiter.
Christoph Zeiss
Eine Zuordnung von Unternehmen im Mitteldeutschen Revier nach Veränderungsintensitäten im Rahmen der Transformation zur klimaneutralen Kohlenstoffwirtschaft hat Christoph Zeiss unter anderem vorgenommen. Daraus entwickelte er Strategien zur Transformation in eine klimaneutrale Kohlenstoffwirtschaft und Handlungsempfehlungen für das Mitteldeutsche Revier sowie eine Definition der Kohlenstoffwirtschaft. Ganz neu sei dabei auch die konzeptionelle Verknüpfung der Themenfelder Kohlenstoffwirtschaft und Kreislaufwirtschaft, so der Wissenschaftler.
Er betonte auch, dass es sehr wichtig ist, die Bevölkerung auf diesem Weg mitzunehmen. „Die Bevölkerung und die organisierte Zivilgesellschaft brauchen ausreichendes Wissen über die technischen und gesellschaftlichen Hintergründe der Industrietransformation“, so Zeiss. Er hob darauf ab, dass es wichtig ist, die Sektoren zu vernetzen und gemeinsam zu denken: „Beispiele sind der Aufbau einer CO₂-Infrastruktur, die Bereitstellung von grünem Wasserstoff, die Kreislaufwirtschaft oder die Nutzung von biogenen Rohstoffen. Dabei sah er Handlungsbedarf beim Gestalten politischer Prozesse: „Es fehlen noch zentrale gesetzliche Rahmenbedingung und die Finanzierung neuer Prozesse und Produkte durch grüne Leitmärkte.“ Eine gemeinsame Plattform von Unternehmen und Akteuren im Mitteldeutschen Revier zur Umsetzung einer nachhaltigen Kohlenstoffwirtschaft könne diese Defizite artikulieren und in die Politik tragen. „Meine Empfehlung ist, dass die ganze Region vorangehen sollte“, sagte der Wissenschaftler vom Wuppertal Institut.
In der Diskussion sprach er sich nicht nur für eine nationale Carbon-Management-Strategie (CMS-Strategie) aus, sondern auch für eine regionale. Diese regionale Carbon-Management-Strategie für Sachsen-Anhalt könne im Dialog mit den regionalen betroffenen Betrieben entwickelt werden in einem Trilog aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik und dann in die Praxis übertragen werden.
Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium des Landes Sachsen-Anhalt Stefanie Pötzsch. Foto: Sergei FrostFoto
Die Basisstudie macht Mut
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Dass die vorgestellte Studie Mut mache und auf die Potenziale in der Region abhebe, hob die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium des Landes Sachsen-Anhalt Stefanie Pötzsch hervor. Es redeten alle über Strukturwandel, aber das sei nur die halbe Wahrheit, denn es sei Transformation und diese betreffe nicht nur die Wirtschaft, sondern die gesamte Gesellschaft. Da hätten wir noch viel vor uns, viele Schritte, die nicht nacheinander passierten, sondern gleichzeitig. Da könne man den Mut verlieren und so sei es sehr wichtig, auf die Vorteile gestoßen zu werden.
Die Studie macht Mut, weil aufgezeigt wird: Was für Potenzial steckt in der Region, was ist schon passiert und was ist die Zukunftsaussicht?
Staatssekretärin Stefanie Pötzsch
Pötzsch bezog sich auf den Beitrag in der vorangegangenen Kurzzusammenfassung von Studienergebnissen, in dem gesagt worden war, dass die größten Unternehmen, den größten Beitrag für die Transformation leisteten. Das sei richtig, im Bezug auf die Wirkung. Ganz wichtig seien aber auch die kleinen Unternehmen, die Startups. Die Startups im Chemiebereich, das seinen alles Unternehmen in der Biochemie. Diese müssten erstmal wachsen, aber sie seien sozusagen der Hoffnungsschimmer, den wir bräuchten. Denn die Strukturen seien vorhanden, ob in Bitterfeld, in Leuna oder in Zeitz. Es gebe genügend Unternehmen wie Verbio beispielsweise oder auch UPM, die da auch unterstützen könnten. Und auch UPM als Neuansiedlung sei etwas Neues, was passiere, und die vorhandene Wirtschaftsstruktur mitziehe. Es müssten die Rahmenbedingungen transformiert werden, aber auch aus der Gesellschaft komme der Wunsch, klimaneutral werden zu wollen. Und das könnten wir auch. Wenn man das auf das Ingenieurwesen in Deutschland herunterbreche heiße das: Jedes Problem sei irgendwie lösbar. Sie berichtete von einem chemischen Startup, ein Gründerinnenteam bestehend aus 15 Frauen, die sagten, dass sämtliche chemischen Grundstoffe biobasiert hergestellt werden könnten, bei manchen sei es nur eine Frage der Zeit. Auch das mache ihr Mut.
Professor Wehrspohn bedankte sich für den Beitrag und fasste noch einmal zusammen, dass im Mitteldeutschen Revier in Sachsen-Anhalt der Handlungsdruck viel größer sei als im sächsischen Teil bezüglich der Transformation hin zur klimaneutralen Produktion, da in Sachsen sehr viele Ingenieurdienstleister und Forschungseinrichtungen angesiedelt sind.
Sachsen-Anhalt ist entsprechend auch stärker in der Pflicht. „Welche Maßnahmen planen Sie?“, fragte Moderator Ralf Wehrspohn. „Gibt es eine sachsen-anhaltinische-Carbon-Management-Strategie?“
Stefanie Pötzsch meinte, sie sehe den Anfang für eine Carbon-Management-Strategie beim Bund, denn das, was da passieren müsse, mache an der Landesgrenze nicht halt. Das seien übergeordnete Themen, die auf Bundesebene geregelt werden müssten. Da nehme sie die Landesregierung nicht heraus. Denn hier müsse das auch mitgetragen werden und die Besonderheiten in Sachsen-Anhalt berücksichtigt werden. Es werde bald eine Veranstaltung geben, die die Diskussion auffange und die Themen einsammle, die für etwas wie eine Carbon-Management-Strategie wichtig seien.
Pötzsch sagte: „Kohlenstoffbasiert arbeitet in Sachsen-Anhalt vor allem die Chemieindustrie, die ein wichtiger und tragender Teil unserer Wirtschaftsstruktur ist. Die Unternehmen in Sachsen-Anhalt stehen vor großen Herausforderungen, setzen sich aber teilweise tief mit der Defossilisierung ihrer Produktionsabläufe und Stoffverbünde auseinander. Das Land Sachsen-Anhalt wird weiterhin daran arbeiten, dies zu unterstützen.“
Ralf Wehrspohn ergänzte, dass ja die Carbon-Management-Strategie des Bundes nicht mehr verabschiedet worden ist, „was sehr schlecht ist“, so Wehrspohn. Für Themen wie unter anderem das CO₂-Pipeline-Netz sei eine Carbon-Management-Strategie sehr wichtig.
Prof. Dr. Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau. Foto: Sergei FrostFoto
Maßnahmen sollten Substanz sichern
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„Völlig unabhängig davon, ob die Unternehmen, über die wir reden, groß sind, oder ob sie klein sind: Transformieren können Sie nur was da ist“, sagte Prof. Dr. Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau, zu Beginn seines Impulses. Daher sei es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, die Substanzerhalt ermöglichten. Die IHK Halle-Dessau ist Gründungsmitglied des Forum Rathenau. Zur aktuellen wirtschaftlichen Lage im Mitteldeutschen Revier sehe man das dritte Jahr in Folge eine Schrumpfung ohne Licht am Ende des Tunnels. Denn auch positive Investitionsabsichten seinen nicht zu sehen, als Ergebnis der Unternehmensumfragen bei den IHK-Mitgliedsunternehmen und den amtlichen Statistiken. Die Branche, die üblicherweise die Konjunktur-Lokomotive ist, die Industrie, hier in Sonderheit die energieintensive Grundstoffchemie, stehe derzeit nicht brillant da.
Wenn wir diejenigen, die überhaupt noch investieren wollen (…), nach ihren Motiven befragen, dann haben wir zu 75 Prozent negative, beziehungsweise passive, defensive Motive.
Prof. Dr. Thomas Brockmeier
„Natürlich haben wir in dem Bereich der zu transformierenden Chemie wunderbare Beispiele“, so Professor Brockmeier in seinem Beitrag. Es gebe mikroökonomisch, einzelwirtschaftlich, unternehmerisch tolle Geschichten. „Wir haben gelechzt nach dem Center for the Transformation of Chemistry (CTC), dass das hierherkommt und wir freuen uns sehr darüber, über diese Entscheidung, weil das ist genau das, was wir brauchen“, sagte Brockmeier. Bei all diesen Umstellungsstrategien, die es geben könne, ob es darum gehe, die Rohstoffbasis auf nachwachsende Rohstoffe umzustellen, ob es um CO2-Abscheidung, -Einsparung, -Speicherung gehe, ob es um Substitution gehe, das seien alles Dinge, da werde uns das Seeberger-Institut helfen und das sei auch sicherlich ein schönes Beispiel für die länderübergreifende Zusammenarbeit, weil wir Merseburg und Delitzsch kombinieren, hätten wir ja Sachsen und Sachsen-Anhalt miteinander. Brockmeier: „Das sehe ich durchaus positiv“.
Dr. Andreas Kohl, Head of Specialty Chemicals and Catalysts, Verbio SE. Foto: Sergei FrostFoto
Ein positives Beispiel
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Dr. Andreas Kohl, Head of Specialty Chemicals and Catalysts, Verbio SE, zeigte eine Momentaufnahme von der Verbio, von der chemischen Industrie, wie konkret neue Projekte in der Region umgesetzt werden können. Zunächst ging er mit einem Schaubild auf die Zukunft der chemischen Industrie ein. Es sei gängig und allgemein akzeptiert und zeige, man sei sich bewusst, dass in der chemischen Industrie dauerhaft kein fossiler Kohlenstoff mehr genutzt werden könne. “Was bleibt aber über?“, fragte Andreas Kohl, „denn 90 Prozent unserer Produkte sind aus Kohlenstoff. Also muss der Kohlenstoff irgendwo anders herkommen.“ Im Prinzip gebe es drei Quellen. Wir könnten aus CO₂ – Direct Air Capture oder aus Kraftwerken – plus Wasserstoff als Energiequelle Chemikalien machen, erläuterte Kohl. Das sei eigentlich Stand der etablierten Technologie. Das gebe es, und das könne man groß ausrollen, wenn es sich lohne. „Wo ist der Business Case, ist die Frage“, erläuterte der Chemiker. Recycling sei die zweite Quelle: „Wir haben viel über Recycling geredet. Zum Beispiel direktes stoffliches Recycling, was heute auch schon passiert.“ Der Konsument entscheide dabei, ob er/sie diese Kosten auch trage. Und dann gebe es Biomasse als Kohlenstoffquelle. Kohl: „Dafür brauchen wir die neuen Technologien, die wir irgendwo etablieren müssen und die sich aber auch im Moment etablieren.“
Er erläuterte, was in der neuen Anlage, der Verbio passieren werde: „Wir haben ein Verfahren entwickelt und einen Katalysator entwickelt.“ Biodiesel werde mit Hilfe von Ethylen gespalten. So entstünden zwei halb so große Moleküle wie Biodiesel. Diese hätten eine Doppelbindung am Ende. „Für einen Chemiker ein Traum. Damit kann man nämlich jetzt Chemie machen – wunderschön“, erläuterte Kohl. Verbio könne das direkt aus Biomasse mit einem Prozess herstellen, bei niedrigen Temperaturen, niedrigem Druck und ohne Lösungsmittel – einem grünen Prozess.
Man kann das aus Ethylen herstellen über einen sehr komplizierten Prozess mit viel Energie, Hochdruck, Hochtemperatur usw. Wir können das direkt aus Biomasse mit einem Prozess, der bei niedrigen Temperaturen, niedrigem Druck und ohne Lösungsmittel läuft – ein grüner Prozess.
Dr. Andreas Kohl
In diese Technologie, in diese Produktion investiere Verbio derzeit. Einmal hier in Bitterfeld und für den Katalysator in Budapest in Ungarn, wo der Katalysatorproduzent stationiert sei. Die erste Anlage der Verbio entstand vor ungefähr 25 Jahren in Bitterfeld, eine Bioraffinerie im besten Sinn: „Wir produzieren heute hier Biodiesel, Glycerin.“ Und dann auch noch Phytosterole. Phytosterole sind Rohstoffe für die pharmazeutische Industrie, beispielsweise für Steroide. Steroide seien in vielen pharmazeutischen Produkten enthalten beispielsweise in der Antibabypille. Die neue Ethenolyse-Anlage entstehe derzeit neben den bisherigen Anlagen in Bitterfeld. „Wir nehmen 100 Millionen in die Hand, schaffen 50 neue Arbeitsplätze (…).“ Sachsen-Anhalt und der Bund unterstützten die sehr neue Innovationstechnologie. Diese gesamte Anlage werde 60.000 Tonnen erneuerbare Produkte auf den Markt bringen, und zwar mittelpreisige erneuerbare Produkte für die chemische Industrie. In etwa einem Jahr werde die Anlage anfangen zu produzieren. „Ich glaube, das ist ein schönes Beispiel, wie das laufen kann für die chemische Industrie (…)“, stellte Kohl die neue, im Bau befindliche Anlage vor.
Auf die Frage des Moderators, ob das Produkt regional weiterverarbeitet werden könne, antwortete Kohl: Das eine Molekül sei ein Produkt, das durchaus an verschiedenen Standorten hier weiter verarbeitet werden könne von Partnerunternehmen, in Richtung beispielsweise der Tenside.
Matthias Lux, Vorsitzender Geschäftsführer der Stadtwerke Halle. Foto: Sergei FrostFoto
Zukunft der Energiewirtschaft
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„Wir haben ja jetzt ganz unterschiedliche Unternehmen gehabt“, so Professor Wehrspohn. Aber die, die wirklich viel CO₂ ausstießen, das sei natürlich die Energiewirtschaft. Die sei auch beim aktuellen CarbonCycleCultureClub vertreten und habe eine Strategie und sei letztendlich auch Teil des Stoffverbundes. Er freue sich, dass Matthias Lux die Gäste in die Zukunft der Stadtwerke Halle mitnehme. Wir freuen uns auf die Zukunft, so Wehrspohn.
Matthias Lux, Vorsitzender Geschäftsführer der Stadtwerke Halle GmbH, gab einen Einblick in die Zukunft aus energiewirtschaftlicher Seite. Die energiewirtschaftliche Seite sei dahingehend interessant, da man sektorübergreifend denken müsse, so Lux. Er zeigte unter anderem die kommunale Wärmeplanung im Stadtgebiet Halle für das Jahr 2045. Dabei wurde für Halle ein digitaler Zwilling gebaut, der jedes Gebäude erfasst. Dabei sei auch Bauzustand, Wärmedämmung, die Heizungstechnologie in den Gebäuden und deren Alter erfasst. So könne die richtige Wärmeversorgung der Stadt im Jahr 2045 simuliert werden aus dem Blickwinkel des Gebäudes. Fernwärme nehme deutlich zu und strombasierte Wärme, die Wärmepumpe, ebenso. Dabei entstünden viele Fernwärmekilometer, die neu zu bauen seien. Auch Nieder- und Mittelspannungsnetze müssten neu gebaut werden. Zu den bisher 3.100 Beschäftigten müssten noch etwa 500 dazu kommen, um das umzusetzen. Die hohen Investitionskosten seien allerdings die größte Herausforderung.
Nur dort, wo heute Fernwärme ist, bauen wir nicht. Überall dort, wo heute was anderes als Fernwärme ist, müssen wir bauen. Und das ist spektakulär, das in 20 Jahren hinzukriegen.
Matthias Lux
Bei sektorübergreifendem Denken seien bei der Suche nach neuen Technologieoptionen zwei Anknüpfungspunkte vorhanden, nämlich das Thema Ersatzbrennstoffe (aufbereitete Abfälle), das ab 2045 aber Carbon Capture and Storage (CCS) erfordere. Die vorhandenen vier Aeroderivate seien außerdem Wasserstoff-ready. Sie könnten schon heute bis 30 Prozent Wasserstoff aufnehmen, ohne nennenswerten Umbau. Den Wasserstoff gebe es heute noch nicht. Mit blauem Wasserstoff wäre es möglich, die vorhandenen Prozesse schon sehr viel früher grün zu bekommen.
Fotos: Sergei FrostFoto
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