Veranstaltung
CarbonCycleCultureClub (C4):

Was ist uns Resilienz wert?

Was ist uns Resilienz wert?

Zum Themengebiet Resilienz heute mit dem Titel “Was ist uns Resilienz wert?” – Am Beispiel der Photovoltaik – Im Sinne der Eigenständigkeit der Europäischen Union, findet am Donnerstag, 27. November der nächste CarbonCycleCultureClub (C4) von 18 bis etwa 21 Uhr im Industriedenkmal Kraftwerk Zschornewitz in Gräfenhainichen statt. Nach Inputs von Expert:innen und einer Podiumsdiskussion gibt es Zeit für Austausch und Vernetzung bei einem Imbiss im einst größten Braunkohlekraftwerk weltweit.

Moderiert wird die Veranstaltung von Professor Ralf Wehrspohn, dem Vorstandsvorsitzenden des Forum Rathenau.

Zu Gast auf dem Podium werden unter anderem sein:

  • Dr. Jochen Fritsche, Fertigungsleiter Standort Bitterfeld-Wolfen bei Meyer Burger (Industries) GmbH i.I. (zugesagt)
  • Dr. Maria Fulde, FLD Technologies, Technologie- und Gründerzentrum, Bitterfeld-Wolfen (zugesagt)
  • Prof. Dr. Lucas Flöther, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Flöther & Wissing Insolvenzverwaltung GbR (Zusage für digitale Teilnahme)
  • Paul Martin Ulmer, Vorstand, Solarcamp for Future Halle e.V. (angefragt)
  • Simon Schandert, Geschäftsführer der TESVOLT AG (angefragt)
  • Robert Bauer, Hanwha Q CELLS GmbH (angefragt)

Millionen Solaranlagen sind in Deutschland verbaut, aber die Technik stammt kaum noch aus Deutschland. Immer neue Insolvenzanträge belasten die längst angeschlagene Branche. Betroffen ist unter anderem auch Meyer Burger: „Der einstige europäische Solar-Hoffnungsträger kollabierte unter dem Preisdruck subventionierter chinesischer Konkurrenz. Die fundamentale Basis für eine Erholung existiert nicht mehr“, ist im digitalen Börsen-Express am 30. Oktober 2025 zu lesen.

Knapp 5,3 Millionen Photovoltaikanlagen sind in Deutschland auf Dächern, Balkonen, Freiflächen oder Gewässern installiert. Aber die meisten kommen aus China. Dort wird mit staatlichen Subventionen produziert zu deutlich niedrigeren Preisen.

Photovoltaik erzeugt inzwischen eine installierte Leistung von etwa 107,5 Gigawatt in Deutschland und deckt nach Einschätzung des Solarwirtschaft-Verbandes rund 15 Prozent des deutschen Strombedarfs. Bis 2030 sollen es nach dem Ziel der Bundesregierung 215 Gigawatt sein.

Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum vom ITEL – Deutsches Lithiuminstitut GmbH ordnet die Situation im Hinblick auf die Resilienz ein:  

Das Problem bei der Solartechnik ist folgendes: Die Volksrepublik China macht eine Politik der sogenannten Limitpreise. Ihre Unternehmen, selbst unter mörderischem Konkurrenzdruck, setzen also die höchsten Markteintritt begrenzenden Preise, um möglichst selbst profitabel zu bleiben. Der Preis darf nicht höher als dieser Limitpreis sein, denn sonst könnten potentielle Konkurrenten (auch aus dem eigenen Land) in den Markt eintreten. Damit lohnt sich eigentlich die Investition nicht mehr beziehungsweise vorhandene Investitionen wie Meyer Burger werden in die Knie gezwungen. Ein solches Verhalten ist nur durch erhebliche Innovationssprünge in Produkteffizienz oder Fertigungseffizienz zu überwinden.

Das hat für Deutschland den Nachteil, dass die Technologie und die Produktion nicht mehr vorhanden sind. Es hat aber auch einen Vorteil: So billig hätte Deutschland nie Solarzellen bekommen. Damit war hier eine Umstellung auf Solarenergie möglich, die so schnell war, wie man es sich nicht hatte vorstellen können.

Was ist eigentlich Resilienz in Bezug auf die Solarindustrie? Auf der einen Seite haben wir in Deutschland in der Produktion und der Technologie überhaupt keine Resilienz, weil wir im Prinzip zu schmal geworden sind.

Auf der anderen Seite haben wir genau deshalb eine hohe Resilienz in unserer Versorgung, weil sich viele Haushalte zumindest notfalls mit einem Kern von Strom selbst versorgen könnten. Das ist ein Dilemma.

Resilienz hat ein naturwissenschaftliches Analogon als Hintergrund, erläutert der Ökonom Ulrich Blum weiter. Es wird eine Kraft ausgeübt, beispielsweise auf eine Feder, und die Frage ist, ob das System sich wieder in den alten Zustand zurückversetzen kann. Solange die Feder sich nicht verformt, sondern wieder in ihre Ausgangslage zurückkehrt, hat das System eine resiliente Struktur. Ist die einwirkende Kraft nicht größer als die zulässige, dann besteht Stabilität. Außerdem gibt es eine Zwischenstufe: Wir haben eine plastische Verformung. Die Feder geht nicht mehr in ihre alte Struktur zurück. Bricht die Feder, ist das System am Ende.

Resiliente Systeme haben die Eigenschaft, in einen Zustand zurückzufallen, in dem die Stabilität weiter gegeben ist, auch wenn es zwischendurch in irgendeiner Form eine Auslenkung gibt.

Ein Beispiel ist eine Finanzkatastrophe. Hier besteht eine Ähnlichkeit von der Wirtschaft zu einer Brücke. Das Eigenkapital entspricht den Fundamenten der Brücke. Die sollten möglichst stabil sein. Die Stürme der Wirtschaft – der Verkehr – bringen das System zum Schwingen. Das sollte sie aushalten. Im Prinzip sollte sie so gebaut sein, dass die Schwingungen wieder abklingen. Kommt es aber zur Resonanzkatastrophe und bricht sie – am besten an vorgesehenen Sollbruchstellen – dann sollten zumindest die Pfeiler stehenbleiben. So ist die Möglichkeit gegeben, eine neue Brücke in Form von Trägern aufbauen. So auch beim Unternehmen, das als Risikoabsorber funktionieren sollte: Auch wenn die Produktion zusammenbricht und eine neue Ausrichtung erforderlich ist, das Eigenkapital sollte dafür reichen. Und beim Staat ist es die niedrige Verschuldungsquote, die im Krisenfall Ausgaben ermöglicht.

Für Resilienz gibt es in der Natur Beispiele, die diese Strukturen verdeutlichen. Im sicherheitspolitischen Bereich sind im Hinblick auf Resilienz zwei Elemente wichtig. Das eine ist Flexibilität und das andere sind Reserven – an Material, an Fertigungskapazitäten, aber auch an Ideen. Es wird deutlich, dass man Mullbinden bevorraten kann. Man kann auch Granaten bevorraten, aber man hat große Schwierigkeiten, Drohnen zu bevorraten, weil hier der Innovationszyklus sehr kurz ist. Das heißt, in diesem Fall bedeutet Resilienz die Bevorratung von Fertigungskapazitäten. Vorräte können auch mittels Recycling erzeugt werden, Fertigungskapazitäten können dem Refurbishing dienen.

Grafik mit vier Feldern: Y-Achse "Rate der Innovation", X-Achse "Umfang des Bedarfs, Skalierung. Beschriftung der Außenachsen oben "Circular Economy", rechts "Substitutionsfähigkeit" mit gelb hervorgehobenen Pfeilen, die jeweils horizontal und vertikal in beide Richtungen zeigen (als eine Richtung oder Skala) .
Im Feld links unten steht "Lieferkettenmanangement", nach den Achsenbeschriftungen geht es einher mit niedriger Rate der Innovation und niedrigem Umfang des Bedarfs/Skalierung und in den Außenachsen Circular Economy steht "Abnehmende ök. Bedeutung" und bei Substitutionsfähigkeit "… der Produkte".
Im Feld links oben steht "Kooperation mit Partnern beim Vorhalten verbundener Produktionskapazitäten, um insgesamt Skaleneffekte zu nutzen, oder 3D-Druck", laut Achsen mit hoher Rate der Innovation und niedrigem Umfang des Bedarfs/Skalierung, Außenachsen: Circular Economy - "Abnehmende ök. Bedeutung" und Substitutionsfähigkeit - "… der Technologien".
Feld oben rechts: "Vorhalten und Kontrolle eigener Technologien, Produktionskapazitäten und Wertschöpfungsketten, auch für das Refurbishing von Systemen", Achsen: Hohe Rate der Innovation, Hoher Umfang der Bedarfs/Skalierung, Außenachsen: Circular Econonomy - "zunehmende ök. Bedeutung" und Substitutionsfähigkeit - "der Technologien".
Feld unten rechts: "Lagerhaltung". Achsen: niedrige Rate der Innovation, hoher Umfang des Bedarfs/Skalierung, Außenachsen: Circular Economy "zunehmende ök. Bedeutung" und Substitutionsfähigkeit "der Produkte".
Graphik: Blum, U., Über hybriden Krieg– SPEEG 17/2, Halle, erscheint demnächst. 

Es ergibt sich die Frage, was Resilienz in der Energiepolitik bedeutet. Hier wird die Resilienz von einer Reihe von Faktoren bestimmt, zunächst der Redundanz und zu gewissen Anteilen auch der Dezentralität. Die Ukraine beispielsweise ist deshalb energietechnisch noch nicht zusammengebrochen, weil sie aus der Sowjetzeit ein extrem vernetztes Stromnetz hat. Denn hohe Anteile der Stromkapazitäten, auch die kerntechnischen Kapazitäten, kamen aus der Ukraine; zugleich liegt dort ein dichtes Netz an Leitungen und Verbindungen – Strom, Gas, Öl –, so Ulrich Blum zur derzeitigen Situation.  

Die Erosion von Fertigungskapazitäten durch Wettbewerb stellt Volkswirtschaften vor die Frage, ob sie aus dem Markt gedrängte Technologien, quasi als Optionsgut, bevorraten sollen, also mindestens eine Produktionsstätte aufrechterhalten sollen, um im Notfall skalieren zu können. Gilt das auch für die Solarindustrie – oder wegen der Rohstoffe – den Bergbau?

Problematisch im Bereich der Solartechnik ist, dass hier sogar zugelassen wurde, dass die Patente im Rahmen der Auflösung der Solarunternehmen ins Ausland abgewandert sind, so Ulrich Blum.

Patentportfolios sind entscheidende Bereiche in Bezug auf die Resilienz.

Für die Produktion einer Solarzelle sind sieben oder acht große Schritte notwendig. Die müssen alle in irgendeiner Form im Land bleiben, um es in die Lage zu versetzen, kurzfristig diese Technologie wieder hochzufahren. Für die Herstellung von Impfstoffen, wie beispielsweise gegen Covid sind dagegen 20.000 Schritte erforderlich. Daher ist die Solarindustrie anfälliger gegen Konkurrenz, aber auch leichter zu reimplantieren, als mRNa.

Strategisch, aus sicherheitspolitischem Interesse, ist die Solarenergie von Bedeutung, da sie eine dezentrale Energieversorgung ist. Das sehen wir deutlich in der Ukraine. Empfindliche Stellen sind immer Knotenpunkte der Versorgung: ein Flughafen, ein Umspannwerk oder ein Kraftwerk. Dezentrale Lösungen haben positive Stabilitätseigenschaften. Die Windenergie ist im Vergleich zur Solarindustrie deutlich zentralistischer.

Resilienz bezieht sich immer mehrwertig. Wenn etwas wirtschaftlich resilient ist, dann ist es wahrscheinlich auch in Teilen sicherheitspolitisch resilient. Das geht ineinander über.

Der Wert der Resilienz kann einfach bemessen werden. Ich kann den Nutzen annehmen, kann gute Annahmen treffen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Ereignis eintrifft, das die Resilienz herausfordert. Man kann berechnen, was das kostet. Erwartungswert, also Eintrittswahrscheinlichkeit, mal Schaden. Investitionen, die ich machen will, sind bis zu diesem Punkt gerechtfertigt: klassisches Risikomanagement. Letztendlich ist es so, dass die Resilienz uns so viel wert sein sollte, wie die erwarteten Kosten eines Ausfalls.

Es gibt allerdings zwei Probleme: Das erste Problem ist, dass der Staat an dieser Stelle nicht über seine wirklichen Aufgaben nachdenkt. Das Zweite ist, dass wir oft gar nicht wissen, wie das Risiko bemessen ist, weil das eigentlich schwarze Schwäne sind: Sie tauchen plötzlich auf und keiner weiß, woher sie gekommen sind, so der Ökonom Ulrich Blum.

Die Marktwirtschaften haben ein Problem. Sie können sehr gut damit umgehen, wenn sich Güter verknappen. Verknappung führt zu steigenden Preisen, führt dazu, dass Leute, die Waren entweder von woanders, wo es bisher teurer war, beschaffen oder neue Produktionen aufbauen, oder auf Ersatzprodukte ausweichen. Ich kann beim Telefon ein Kupferkabel durch ein Glasfaserkabel ersetzen, das Telefon durch ein Handy, die Kommunikation statt durch ein Telefongespräch durch einen Besuch (dann ersetzt das Auto das Telefon!).

Was aber passiert bei fehlender Verfügbarkeit? Eine Sache, die in der kommunistischen Zentralverwaltungswirtschaft die Regel war, weshalb die Leute ständig horten. In der Marktwirtschaft kann eigentlich immer alles, wenn auch zu überhöhten Preisen, nachgefragt werden.

Was lernen wir daraus? Es kann sein, dass man in strategischen Bereichen, wie sicherheitspolitischen oder gesundheitspolitischen Bereichen usw. Inseln beibehalten muss, damit man beispielsweise das eine Bergwerk, den einen Kernreaktor vor Ort hat, um die Technologie weiterzuentwickeln und auch weiterhin exportfähig zu bleiben – früher einmal war Deutschland einer der größten Exporteure von Bergwerkstechnik!

Man könnte für bestimmte Produkte Preisgarantien geben, wie es die USA neuerdings machen. In der Wirtschaft wird die Möglichkeit der Contracts for Difference diskutiert: Bei zu niedrigen Preisen wird gestützt, bei erhöhten abgeschöpft, und der Referenzpreis sinkt langsam, um zu technischem Fortschritt zu zwingen.

Für die Volksrepublik China ist es so lange attraktiv, die Preise nach unten zu regulieren, wie sie sicher ist, die Wirkung zu erzielen, dass kein anderer die Produktionskapazität aufbaut. Diese Logik geht verloren, wenn ein anderer Staat entscheidet, in diesem Bereich trotzdem eine Produktion aufzubauen. Das kann zunächst teurer werden, aber in der längeren Frist zu einem Ausgleich führen, da das Angebot vielfältiger wird.

Gegen den unlauteren Wettbewerb kann nur von staatlicher Seite dagegengehalten werden. Die Möglichkeit wäre eine europäische Resilienz, bei der sich die Länder in Europa auf unterschiedliche Bereiche spezialisieren.

Wir bedanken uns für das Hintergrund-Gespräch zur Einführung ins Thema bei Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum vom ITEL – Deutsches Lithiuminstitut GmbH.

Geboren am 19. Mai 1953 in München, studierte Ulrich Blum von 1975 1979 Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe. 1982 promovierte er mit der Dissertation „Regionale Wirkungen von Infrastrukturinvestitionen“. 1986 folgte dann die Habilitation in Karlsruhe. Nach einer Gastprofessur 1986/87 an der Université de Montréal, Kanada, hatte er 1987 eine Professur für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bamberg inne. Er war Gründungsdekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Dresden (1992 –1994) und von 1991 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung. Von 2004 bis 2011 war Prof. Blum Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle.

Das ITEL – Deutsches Lithiuminstitut GmbH wird von den Gründungsgeschäftsführen Prof. Ulrich Blum und Prof. Ralf Wehrspohn kollegial geführt. Es hat seinen Sitz in Halle (Saale).

Die Graphik ist entnommen aus: Blum, U., Vom hybriden Krieg – Russlands Rivalität mit dem Westen und der Angriff auf die Ukraine, Series in Political Economy and Economic Governance 17/2, Halle, erscheint demnächst.

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Auf der Veranstaltung werden Film- und Tonaufnahmen sowie Fotos gemacht, mit deren auch späteren Verwendung Sie sich durch den Besuch der Veranstaltung einverstanden erklären. Wenn Sie nicht fotografiert oder gefilmt werden möchten, können Sie den:die Fotograf:in oder die Kameraleute ansprechen.

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